• Viel zu se(e)hen auf Seeland
    Seeland I Dänemark

Teil 2 unserer zweieinhalbwöchigen Dänemark-Reise, die uns bereits von Kopenhagen an die nordwestliche Küste Dänemarks geführt hat: Von Nord-West-Jütland geht es nun zurück nach Seeland, auf die größte Insel Dänemarks. Rund 20 Minuten nordwestlich von Kopenhagen, in Strandtoften in der Nähe von Frederikssund, haben wir ein weiteres Haus gemietet, mit einem schönen Blick auf einen Fjord. Um uns herum viel Natur, grasende Pferde weidende Kühe… und die Hoffnung auf doch noch ein bisschen Sommer lebt.

Die Fotos mit Sonnenschein mögen etwas anderes erzählen, aber das eher wechselhafte kühle Wetter, das auch immer wieder mal einen kräftigen Regenguss bereit hält, haben wir, wie es scheint, mitgenommen aus Nord-West-Jütland – auch wenn die Sonne dazwischen immer wieder ein kräftiges Lebenszeichen gibt. Hey du, möchte man ihr zurufen, trau dich, bleib hier, wir mögen dich eh. Die gute Nachricht ist aber: Auch auf Seeland wird es einem (kulturell) nicht langweilig. Und so fahren wir gleich mal ins bezaubernde ehemalige Fischerdorf Humlebæk an der Öresundküste, mit hübschen kleinen Häuschen mit Blick auf das Meer und bunten Gärten. Wenn der Wind nicht so pfeifen und es nicht so derart schütten würde, könnten wir es glatt noch ein wenig mehr genießen. Andererseits: das aufgewühlte Meer, das an das Ufer peitscht, das hat auch etwas. Was für ein Glück, das eines der – meiner Meinung nach – aufregendsten Museen Europas genau hier zu finden ist: Schnell retten wir uns ins Louisiana Museum für Moderne Kunst, DEM Museum für moderne und Gegenwartskunst in Dänemark, das 35km außerhalb von Kopenhagen direkt am Öresund liegt. Die Museumsgebäude, die miteinander verbunden sind, wurden von unterschiedlichen Architekten geplant; es lässt sich bequem von einem Museumsteil in den anderen schlendern, besonders angenehm an einem Tag wie diesem, wo es draußen in Strömen regnet. Lohnenswert ist auch ein Spaziergang durch den Park und den Garten mit See – bei schönem Wetter muss das noch beeindruckender sein; hier findet man Landschaftskunst und Skulpturen, besonders für Kinder ist es toll, Kunst ganz spielerisch erfahren zu können.

 

Diese Lage direkt am Öresund, die Museumsarchitektur, die Kunst darin – man könnte hier vermutlich auch zwei ganze Tage oder mehr verbringen, ohne auch nur eine Minute Langeweile zu verspüren. Wir tauchen jedenfalls für Stunden ab: Malerei, Skulpturen, Architektur – wow. Und für alle Freunde von Museums-Shops sei gesagt: Die Kreditkarte besser zu Hause lassen, wer hier widerstehen kann bei all dem skandinavischen Design, darf sich schon besonders willensstark nennen.

Was den dänischen Regen angeht, machen wir während unseres zweieinhalbwöchigen Urlaubs ebenfalls eine durchaus interessante Erfahrung: Es regnet nicht nur vertikal, sondern auch geradezu horizontal und kaum öffnet man die Haustür, hat man den Regen auch schon im Haus. Aber wir wagen uns dann trotzdem noch aus dem Haus und fahren nach Helsingør, wo wir uns das Schloss Kronborg ansehen. Da wir ein wenig spät dran sind, kommen wir nur mehr in die Schlosskapelle und die beeindruckenden Kasematten. Als Schauplatz des Dramas "Hamlet" von William Shakespeare hatte das Schloss, das übrigens nur rund vier Kilometer von der schwedischen Küste bei Helsingborg entfernt ist und gleichermaßen die Einfahrt in den Öresund bewacht, Berühmtheit erlangt. Bei guter Sicht sieht man sogar das gegenüberliegende, schwedische Ufer.

Das Schloss hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Bereits 1420 wurde hier die erste Festung (mit Namen Krogen) errichtet, ab 1429 wurde sie genutzt, um den Schiffszoll jener Schiffe zu erheben, die den Öresund durchqueren wollten – ein einträgliches Geschäft, wie man sich vorstellen kann. Schließlich ließ der dänische König Friedrich II. die mittelalterliche Festung ab 1574 im Stil der Nordischen Renaissance erweitern. 1577 wurde per königlichem Dekret der Name der Festung in Kronborg geändert. Ab 1582 war das Schloss dann auch königlicher Wohnsitz, ein Wohnsitz, der sich durchaus sehen lassen kann, finden wir. Doch dann wurde es so richtig dramatisch: 1629 brannte Kronborg fast vollständig ab, verschont blieb von der Katastrophe nur die Schlosskappelle. Es gab also viel zu tun in den nächsten zehn Jahren, denn das Schloss wurde wiedererrichtet und bis auf wenige Details wurde der ursprüngliche Zustand tatsächlich wiederhergestellt. Man kann sich diesen Aufwand gar nicht groß genug vorstellen... Ab 1785 diente das Schloss schließlich nur mehr als Kaserne und Festung und verlor mit der Aufhebung des Schiffzolls im Jahr 1847 seine militärische Bedeutung. Seit Ende 2000 gehört Kronborg zum Weltkulturerbe der UNESCO. Und das ist nicht der einzige Grund, warum man dieses Schloss nicht auslassen sollte, wenn es einen nach Seeland verschlägt. 

Und plötzlich schlägt das Wetter wieder einmal um: 20 Grad und fast ein wenig sonnig, wir sind begeistert und bekommen sofort Lust uns in einen Schanigarten zu setzen und die Sonne zu genießen. Die kurze Regenpause versetzt uns in absolute Verzückung und wir nutzen sie, um noch durch die hübsche Altstadt von Helsingor zu schlendern. Die kleine Stadt (mit rund 50.000 Einwohnern) liegt an der schmalsten Stelle des Öresunds an der Nordostspitze der Insel Seeland und begeistert uns mit ihren bunten, fröhlichen kleinen Fachwerkhäusern und romantischen Gässchen, in deren kleinen Vorgärten oft Blumen wuchern – vor allem die genügsame Stockrose, in leuchtenden Farben. Fast fühlt sich das hier ein wenig südländisch an... Nur warum hier bereits um 17 Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden, ist uns nicht ganz klar. Wobei, vielleicht weil die Stadt leer ist und die meisten Dänen im Juli im fernen, sonnig heißen Griechenland auf Urlaub sind. Wir wissen jetzt auch, warum.

Ein Dänemark-Urlaub ohne Besuch im Wikingermuseum ist möglich – aber eigentlich sinnlos, findet der Ehemann. Also auf nach Roskilde, wo einem das Leben der Wikinger in Dänemarks Museum für Schiffe, Seefahrt und maritime Handwerke in Altertum und Mittelalter sehr eindrücklich nähergebracht wird. Ich beschließe: Meins wäre es nicht gewesen, so ein Wikingerleben. Mein Mann sieht das, fast möchte man sagen "naturgemäß", ein wenig anders…

Im Hafen vor dem Museum liegen zahlreiche rekonstruierte Boote vor Anker. Wer einmal hautnah erleben möchte, wie es sich mit einem solchen Boot segelt, der kann zwischen 1. Mai und 30. September Seeluft schnuppern und als Besatzung an Bord eines der Schiffe gehen.

Wer sich für Kirchenarchitektur und -kunst interessiert, den muss sein Weg auch in den Dom von Roskilde führen: Die erste gotische Dom-Kirche Skandinaviens aus Backstein war einst katholisch, dann protestantisch, alle architektonischen Epochen sind vertreten, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Die 1280 fertiggestellte Kirche ist übrigens der traditionelle Begräbnisort der dänischen Könige – 21 dänische Könige und 21 Königinnen haben hier ihre letzte Ruhe gefunden, darunter u.a. Harald Blauzahn, Margarethe I., Christian IV. und Friedrich IX. Aber nicht nur Adelige sind hier begraben und so finden sich auf dem Boden des Doms hunderte Grabplatten. Unbedingt ansehen sollte man sich die sogenannte Königssäule: Auf ihr sind die Körpergrößen vieler europäischer Herrscher vermerkt, von Christian I. bis hin zu Zar Peter der Große.

Der 2018 verstorbene Prinz Henrik, Ehemann der dänischen Königin Margrethe II., wollte übrigens partout nicht in der Domkirche von Roskilde bestattet werden, was seine Familie auch respektierte. Der Dom wurde 1995 von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen und ist damit zu einem kleinen Publikumsmagnet im beschaulichen Roskilde geworden.

Und wenn wir schon in der Gegend sind, wollen wir auch gleich Königin Margrethe II., die ja als sehr lebensfroh und volksnah gilt, einen Besuch abstatten, aber vergeblich, Schloss Fredensborg, das "dänische Versaille", ist hübsch, aber ziemlich verwaist. Das wird also nichts mit einem gemeinsamen Tee, wie enttäuschend.

Erbaut wurde das schöne Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert als Jagdschloss für König Frederik IV., heute finden hier vor allem offizielle Staatsbesuche statt, bzw. wird das Schloss gerne von der Königlichen Familie genutzt. Im Juli und der ersten August-Woche gibt es Führungen durch Teile des Schlosses, die Schlosskirche, den privaten Garten und die moderne Orangerie. Der restliche Park ist hingegen ganzjährig zugänglich.

Für Fans der 2016 verstorbenen Star-Architektin Zaha Hadid ist es wohl so etwas wie eine Pilgerstätte: Das großartige Ordrupgaard Museum, für dessen modernen Erweiterungsbau Hadid verantwortlich zeichnet. Wow! Sprachlos macht uns aber auch die umfangreiche Gemäldesammlung mit dänischen und französischen Künstlern des 19. Jahrhunderts, auch Anhänger von Matisse, Degas, Monet, Renoir, Gauguin oder Cezanne werden hier glücklich hinaus spazieren.

Das absolute Highlight für alle Fans skandinavischen Designs wartet gleich nebenan, auf einem Nachbargrundstück: Das Wohnhaus des bekannten dänischen Designers Finn Juhl, das ebenso Teil des Museums ist und besichtigt werden kann. Scandinavian Design at its best, definitiv. Ich jedenfalls betrete das Haus mehr als ehrfurchtsvoll. Fotografieren darf man darin leider nicht, aber dankenswerterweise wurden mir Fotos zur Verfügung gestellt bzw. kann man sich einen ersten Eindruck dazu hier abholen. 1942 hat sich der bedeutendste Designer der Nachkriegsmoderne nördlich von Kopenhagen sein eigenes Haus erbaut und da steht es immer noch, voll eingerichtet, und wirkt so, als ob er gerade eben nur für einen Spaziergang sein Haus verlassen hätte. Von außen präsentiert sich das Haus, das in einer L-Form gebaut wurde, bescheiden und reduziert, innen findet man dänische Designklassiker, Kunsthandwerk und Gemälde der klassischen skandinavischen Moderne.

Juhl, der 1989 starb, legte bei seinen Möbelentwürfen Wert auf hoch qualitative Materialien und hervorragende Verarbeitung. Das spiegelt  sich natürlich auch in seinem eigenen Haus wieder. Überhaupt: Man hat das Gefühl in einer Zeitkapsel gelandet zu sein. Es wirkt einfach, aber es ist raffiniert angelegt, dieses Haus: Denn alle Räume münden ineinander, man hat Einblicke in das nächste Zimmer und jede Menge Ausblicke in den weitläufigen Garten. Am liebsten würde man sich auf das Sofa setzen, vor dem Kamin in einem Buch schmökern oder an seinem Schreibtisch den Laptop aufklappen. Aber es ist schon gut so, wie es ist: nicht berühren, nicht fotografieren. Auch so nimmt man starke Eindrücke und viel Inspiration mit. Natürlich sind auch die Ikonen skandinavischen Designs in Juhls Haus zu finden: der berühmte Teakholz-Affe und der Dackel von Kay Bojesen. Die beiden möchte ich unbedingt auch mal in meiner Wohnung begrüßen. Und am allerliebsten würde ich sowieso das ganze Haus aufladen und mitnehmen. Aber nein, keine Angst, es steht noch dort, wo es hingehört.

Mit dem Besuch bei Finn Juhl ist unsere Woche auf Seeland auch schon wieder um. Und auch wenn wir viel gesehen haben, so gäbe es noch einiges mehr, was wir uns angesehen hätte. Aber irgendwie soll Urlaub ja auch der Erholung dienen. Und so geht die Reise für ein paar letzte Tage weiter nach Kopenhagen.

Werbung aufgrund von Namensnennungen/Verlinkungen. Die Reise erfolgte ausschließlich auf eigene Kosten.

destination

Seeland ist die am dichtesten besiedelte Insel in der Ostsee: Hier wohnt mit rund 2,2 Millionen Einwohnern fast die Hälfte aller Dänen, nicht zuletzt, weil auch die dänische Hauptstadt Kopenhagen auf Seeland liegt. Diese ist das dominierende Zentrum auf der Insel, abseits davon finden Kulturinteressierte aber viele weitere Highlights, wie z.B. das Kunstmuseum Louisiana Museum of Modern Art, das Hamlet-Schloss Kronborg, das prächtige Schloss Frederiksborg in Hillerod oder das Wikingermuseum in Roskilde. Aber auch kilometerlange Sandstrände und Dünenlandschaften warten hier auf die BesucherInnen.

gut schlafen

Dänemark-Reisenden steht eine Riesenauswahl an Ferienhäusern zur Verfügung, in allen Größen und Ausstattungsvarianten. Ob nordisch-kühl oder dänisch-hyggelig (gemütlich), da sollte für jeden etwas dabei sein. Wir haben über www.fejo.dk gebucht und waren mit diesem Anbieter mehr als zufrieden: Die Häuser haben gehalten, was die Website versprochen hat, die Abwicklung war problemlos, der Standard der Häuser tadellos. Empfehlung!

gut essen & trinken

Da uns bestens ausgestattete Küchen in unseren Ferienhäusern zur Verfügung standen, haben wir während unserer Dänemark Reise zumeist selbst gekocht. 

In Frederikssund haben wir uns dann aber doch einmal mit dänischen Spezialitäten verwöhnen lassen, im Restaurant Toldboden. 
(Færgevej 1A, 3600 Frederikssund; http://toldboden.nu)                                                                   

Lesetipp

Wie so oft fühlen wir uns auf Reisen mit dem Baedeker gut versorgt - so auch für Dänemark. Eine gute Mischung aus allgemeinen Tipps zu Land & Leuten, aber auch Kultur.