• Italiens Villen und Gärten
    Veneto, Friaul, Lombardei, Toskana, Kampanien I Italien

Historische (Land-)Villen in Italien – derer gibt es unzählige und viele davon können
auch besichtigt werden. Eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen sollte, denn sie überzeugen zumeist mit beeindruckender Architektur, großartiger Kunst und bezaubernden Gärten. Und erzählen darüber hinaus auch Geschichten von Familien oder Persönlichkeiten, die oftmals Kunst, Gesellschaft und Politik prägten...

Man mag es vielleicht nicht glauben, aber die Tradition der Villen und damit auch der Zweitwohnsitze reicht sehr lange zurück: Schon in der Römerzeit war es gang und gebe sich, so man es sich leisten konnte, an einem besonders schönen Ort eine Villa errichten zu lassen. Und auch in den folgenden Jahrhunderten boomte diese Idee bei reichen Stadtbewohnern: Mit einem Palazzo möglichst in Stadtnähe konnte man Enge und Lärm und im Sommer auch der Hitze der Stadt entkommen, wenn auch oft nur auf Zeit, denn viele Villen wurden ausschließlich als Sommersitz genutzt. Und so findet man solche, zumeist sehr prächtige Villen noch heute in ganz Italien verstreut. Viele sind leider dem Verfall preisgegeben, aber ein großer Teil davon ist sehr gut erhalten bzw. wurde aufwändig restauriert, und wird heute vielfach als Museum, Bildungsinstitution oder Hotel genutzt, in den wenigsten Fällen auch noch immer privat bewohnt.

Wer in der Toskana unterwegs ist, der kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit, gerade in der Hügellandschaft zwischen Florenz, Lucca und Prato, auch immer wieder an Villen der Medici, einer einflussreichen Adelsdynastie mit Wurzeln in Florenz, vorbei. Ein besonders repräsentatives Beispiel dafür ist die Villa Poggio a Caiano nahe Prato, die den Medici seit dem Ende des 15. Jahrhunderts als Sommersitz diente. Die zweistöckige Villa mit weitläufiger Terrasse und der auffälligen, geschwungenen zweiläufigen Treppe, gilt als eine der bedeutendsten Renaissancevillen Italiens.

Das Veneto: Unzählige Villen, unter anderem von Andrea Palladio entworfen
In einigen Regionen, vor allem im Norden Italiens, gibt es besonders viele solcher historischer Villen: So zum Beispiel in der Lombardei, rund um die Seen wie z.B. den Lago Maggiore oder den Lago di Como, oder auch in Friaul-Julisch Venetien. Geradezu übersät von Villen ist das Veneto, wo sich, beeinflusst von Architekt Andrea Palladio im 16. Jahrhundert eine ganz spezielle Villen-Kultur entwickelt hat. Ganz sicherlich eine der prächtigsten Villen im Veneto ist die berühmte Villa Pisani, am Brentakanal unweit von Padua in Stra gelegen, einst sogar zeitweilig im Besitz von Napoléon Bonaparte, der hier jedoch nur ein einziges Mal übernachtet haben soll.

Von ihm stammt eine große Zahl historischer Villen im Veneto: Andrea Palladio. Andrea di Pietro della Gondola war unbestritten der italienische Stararchitekt der Renaissance in Oberitalien, geboren 1508 in Padua, gestorben 1580 in Vicenza. Künstlername: Palladio. Anders als viele andere seiner Zeitgenossen fokussierte er sich komplett auf die Architektur, man könnte ihn also auch als einen der ersten großen Berufsarchitekten bezeichnen. Seine Karriere startete er in Vicenza, wo er um 1540 als Baumeister zu arbeiten begann. Und hier, mit einem Bau in Vicenza, wurde er schließlich auch berühmt: Die Umgestaltung des mittelalterlichen Palazzo della Ragione (heute vor allem als Basilica Palladiana bekannt, siehe nachfolgende Fotos – wobei "Basilica" auf den antiken römischen Gebäudetypus referenziert und daher nichts mit einer Kirche im langläufigen Sinne zu tun hat) gilt als frühes Meisterwerk des Architekten. Beendet wurde dieser Bau allerdings erst 1614, also 34 Jahre, nachdem Palladio verstorben war. Palladio war nun zu gewisser Berühmtheit gelangt, es folgten Aufträge für Paläste in Vicenza und Villen auf dem Land und viele Aufträge mehr. Auf letztere trifft man oft, wenn man im Umkreis von Padua, Treviso oder in der Umgebung von Vicenza unterwegs ist. Aber auch in Venedig gibt es einige prominente Spuren seines Wirkens, wie z. B. die Kirche Il Redentore auf der Giudecca.

Veneto: Die Villa Rotonda bei Vicenza
Die wohl berühmteste Villa aus der Feder Palladios ist La Rotonda südöstlich von Vicenza (Via della Rotonda, 45 in 36100 Vicenza VI), geplant und erbaut zwischen 1567 und 1671. (Ihr eigentlicher Name lautet Villa Almerico Capra Valmarana, bzw. Villa Capra, aber Architekturbegeisterte kennen sie zumeist als La Rotonda.) Bauherr der Villa war Bischof Paolo Almerico, ein hoher Beamter von Papst Pius IV. Wer vom Eingang den Weg hinauf zur Villa entlang spaziert, der hat sie von Anfang an gut im Blick: Ziemlich erhaben liegt sie auf einem Hügel, von dem man in alle Richtungen einen wunderschönen Blick über die Landschaft Venetiens hat.

Palladios Ziel war mit dieser Villa das ideale Haus zu schaffen, mit einer akribisch entwickelten Geometrie: Sie ist vollkommen symmetrisch angelegt und hat einen viereckigen Grundriss; in dessen Zentrum befindet sich ein großer Kuppelsaal (die sala centrale). Apropos, wer sich ein wenig mit Palladios Architektur-Philosophie auseinandergesetzt hat, der wird schnell erkennen, dass die pompöse Ausstattung dieses Saals (mit Stuck und Fresken) aus den 1590er Jahr wohl kaum seinem Geschmack und seinen Plänen entsprochen hatte. Aber Palladio war zu diesem Zeitpunkt ja schon verstorben.

Dass die Villa ein wenig wie aus der antiken Architektur entsprungen wirkt, ist nicht überraschend: Denn an jeder der vier Seiten ließ der Architekt einen klassischen Portikus mit jeweils sechs ionischen Säulen errichten, gekrönt von einem Tempelgiebel. Diese vier identischen Fassaden muten wie ein antiker Tempel an. Und noch etwas weist darauf hin, dass sich Palladio von der antiken römischen Architektur inspirieren hat lassen: Die Rotunde mit aufgesetzter Kuppel als zentraler Raum des Gebäudes lässt vermuten, dass Palladio sich an römischen Rundtempeln orientiert hat. In der Villa spielte sich das Leben auf drei Etagen ab: Im Untergeschoss befanden sich die Wirtschaftsräume, im Piano nobile die repräsentativen Räume und in einem Halbgeschoss die Wohnräume für das Alltagsleben der Bewohner.

Sowohl Bauherr als auch Architekt erlebten die Fertigstellung der Rotonda 1605 übrigens nicht mehr mit: Sie waren damals bereits beide verstorben. Vollendet hatte das Werk schließlich, im Auftrag des Sohnes des Bauherren, Vincenzo Scamozzi, ein Schüler von Palladio. Wie bei so vielen Villen ist auch jene der Rotonda wechselvoll: Ab 1818 gaben sich hier zahlreiche Besitzer die Klinke in die Hand. Es folgte die Schlacht von Vicenza 1814, während der die Villa leicht beschädigt, aber danach wieder aufgebaut wurde. Seit 1912 ist die Rotonda im Besitz der Familie Valmarana, seit 1986 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. 1994 wurde sie zusammen mit der Altstadt von Vicenza und weiteren Palladio-Villen in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Heute ist die Villa ein Museum (Besucherinfos findet man hier) und wer verstehen will, was diese Villa ausgerechnet mit dem Weißen Haus in Washington verbindet, der sollte sich einen Besuch der wirklich beeindruckenden Rotonda nicht entgehen lassen.

Veneto: Villa Valmarana ai Nani bei Vicenza
Sie liegt im Süden von Vicenza: die Villa Valmarana ai Nani (Via dei Nani 8, 36100 Vicenza), ganz in der Nähe der Villa Rotonda. Genau genommen springt sie hier etwas aus der Reihe, weil sie nicht von Palladio entworfen wurde. Aber, sie hat dennoch etwas mit Palladio zu tun – denn in dieser Villa hängt das angeblich berühmteste Porträt von Andrea Palladio, der Paläste und Villen für die Familie Valmarana, die Eigentümer ebendieser Villa, gebaut hatte.

Sehenswert ist die Villa jedenfalls, auch wenn sie eben nicht von Palladio entworfen wurde, sondern von Francesco Muttoni. 1669 wurde das Haus für den Juristen und Literaten Gian Maria Bertolo (1631–1707) erbaut, Anfang des 18. Jahrhunderts erwarben es die Grafen Valmarana, die zur Villa noch ein Gästehaus, Stallungen und die Toranlage hinzufügen ließen. Wer sich der Villa, die man auch im Inneren besichtigen kann, nähert, empfindet sie vermutlich als eher schlicht. Innen aber wartet dann eine große Überraschung auf einen: Nämlich Fresken aus dem Jahr 1757, die von Giovanni Battista Tiepolo und dessen Sohn Domenico geschaffen wurden. Fünf Räume (ein Mittelsaal und je zwei Räume links und rechts davon), fünf Themenkreise – diese wirklich beeindruckenden Fresken wurden fast zur Gänze von Giambattista Tiepolo gestaltet. Auch im Gästehaus (Foresteria) gibt es schöne Fresken zu sehen, gestaltet wurden sie von Tiepolos Sohn Domenico: Neben Darstellungen der Götter des Olymps und bäuerlichen Lebens kann man hier auch Karnevalszenen und Chinoiserien bewundern.

Wer dann durch den schön angelegten Garten spaziert, dem werden die steinernen, teils grotesk aussehenden Zwerge auf den Gartenmauern auffallen: 17 sind es insgesamt und es rankt sich eine Legende um diese 17 Statuen. So soll in dieser Villa einst Layana, ein zwergwüchsiges Mädchen gelebt haben, von den Eltern eingesperrt, gemeinsam mit deren Dienern, die ebenfalls zwergwüchsig waren. Die Eltern wollten Layana so davor bewahren zu erkennen, dass sie kleinwüchsig war. Aber als das Mädchen eines Tages einen Prinzen vorbei gehen sah und ihr so klar wurde, dass sie „anders“ war, brach es ihr das Herz. Sie stürzte sich vom Turm der Villa, ihre Diener wurden aus Trauer um sie zu Stein – und stehen seitdem auf den Mauern der Villa.

Veneto: Die Villa Emo nahe Treviso
Nicht bei Vicenza, sondern in Fanzolo di Vedelago (Via Stazione, 5; 31050 Fanzolo di Vedelago) in der Provinz Treviso befindet sich eine weitere Villa, die Palladio entworfen hat: Hinter einem prächtigen großen Tor liegt die Villa Emo, die Mitte des 16. Jahrhunderts Palladio im Auftrag einer venezianischen Familie errichtet wurde. Rund um die Villa erstreckt sich ein weitläufiger Garten mit zahlreichen Statuen und schöner Bepflanzung. Vorbei an großen Töpfen mit Zitronen, die ob des milden Klimas auch im Herbst immer noch üppig gedeihen, nähern wir uns der Villa, die fast klassizistisch anmutet. Rechts und links der Villa schließen flache Wirtschaftsgebäude an, am Ende des Gebäudes befinden sich zwei Taubenhäuser. Sie sind einerseits ein architektonisch akzentuierter Abschluss des gesamten Gebäudes, hatten aber auch einen ganz praktischen Nutzen: Denn die Tauben wurden von den venezianischen Gutsherren nicht nur zur Bereicherung ihres Speiseplans gehalten, sondern auch für den Briefverkehr mit Venedig.

Die Villa ist heute im Besitz einer regionalen Bank und wird vor allem als Schulungszentrum genutzt. Die Räumlichkeiten im ersten Stock, dem piano nobile, können jedoch besichtigt werden (ohne Führung): Sie sind mit beeindruckenden Fresken ausgemalt, von Giovanni Battista Zelotti, einem italienischen Renaissance-Maler. Er war einer der bekanntesten und berühmtesten Freskenmaler, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem venezianischen Festland tätig waren. Herkules, Venus und Adonis, Neptun und Cybele, Jupiter und Juno, sie alle haben hier ihren Auftritt, wie auch der in der Wüste büßende Hieronymus. Besonders beeindruckend ist der Saal der Künste, wo Musik, Skulptur, Architektur, Astronomie, Poesie und Malerei in Form weiblicher Gestalten dargestellt sind. Man sollte sich Zeit nehmen hier einfach stehen zu bleiben und die Geschichten auf sich wirken lassen. Filmschauplatz war die Villa Emo übrigens auch schon: 2002 wurden hier Szenen der Patricia Highsmith-Verfilmung „Ripley´s Game“ gedreht.

Friaul-Julisch Venetien: Die Villa Manin nahe Udine
Wer in Friaul-Julisch Venetien unterwegs ist, für die/den bietet sich ein Besuch der Villa Manin in Passariano bei Codroipo (nahe Udine) an: In dieser Sommerresidenz verbrachte einst der letzte Doge von Venedig, Ludovico Manin, viel Zeit. Und noch ein berühmter Zeitgenosse war hier zu Besuch: Napoleón Bonaparte wählte die Villa als Schauplatz für die Unterzeichnung eines historischen Abkommens. Wer mehr dazu wissen will, liest am besten in diesem Blog-Beitrag weiter.

Lombardei: Die Villa Necchi Campiglio im Herzen Mailands
Sie ist ein absolutes Highlight für Architektur-, Design- wie auch Filmbegeisterte: Die Villa Necchi Campiglio (in der Via Mozart 14) in Mailand, in den 1930er Jahren von der Industriellen-Familie Necchi Campiglio, die durch die Herstellung von Nähmaschinen und emaillierten Haushaltswaren zu Reichtum gekommen war, errichtet. Heute ist die Villa im Besitz des FAI – Fondo per l´Ambiente Italiano, der italienischen Denkmal- und Umweltschutzstiftung. Rationalismus mit einem Schuss Jugendstil, so könnte man die Villa beschreiben. Entworfen wurde sie vom Architekten Piero Portaluppi (der u. a. auch am Wiederaufbau der Pinacoteca di Brera in Mailand beteiligt war), in den Jahren 1932-35. Aus seiner Feder stammte so ziemlich alles, von den Türgriffen bis zu den Fensterrahmen. Apropos, die beeindruckende Villa war auch Drehort für einige Filme, darunter "I am love" ("Io sono amore") mit Tilda Swinton. Ein großartiger Film, gedreht in einer großartigen Villa. Mehr Details zu dieser Villa gibt es in meinem ausführlichen Blog-Beitrag dazu.

Kampanien: Die Villen Rufolo und Cimbrone in Ravello an der Amalfitana
Absolut sehenswert sind auch diese beiden Villen bzw. die Gärten, die sie umgeben, hoch über dem Meer gelegen in Ravello an der zauberhaften Amalfitana. Die Villa Rufolo (Piazza Duomo, 84010 Ravello) wurde im frühen 13. Jahrhundert von der wohlhabenden, ursprünglich aus Rom stammenden Familie Rufolo errichtet. 1851 wurde die Villa von einem schottischen Industriellen erworben, der die Villa sowie den umliegenden großen Garten grundlegend umgestaltete. Und genau so sind Villa und Garten auch heute noch zu besichtigen. Alles blüht hier besonders üppig, wie auch die Bougainvillea, durch die sich über unseren Köpfen flirrendes Sonnenlicht drängt. Wunderschön sind auch die Terrassen an der Südseite, mit abwechslungsreich gestalteten Blumenbeeten und unterschiedlichsten Pflanzenarten. Und dann dieser Ausblick auf das Meer, ein Postkartenmotiv, mittlerweile so berühmt, dass man es sofort erkennt, auch wenn man noch gar nicht dort gewesen ist…

Erste schriftliche Erwähnungen zur Villa Cimbrone (Via Santa Chiara 26, 84010 Ravello) gab es bereits im 11. Jahrhundert. Viel später hatte auch hier ein wohlhabender Schotte, Lord Grimthorp, seine Finger im Spiel: Er ließ sich die Villa 1904 umgestalten und auch gleich den Garten neu anlegen. Der Lord hat diesen Ort übrigens auch nach seinem Tod nicht verlassen: Er ist in einem kleinen Tempel im Garten begraben. Besichtigen kann man heute übrigens nur mehr den Garten (der aber mehr als sehenswert ist), die Villa wurde in kleines luxuriöses Hotel verwandelt. Und dann stehen wir zuguterletzt am Belvedere (Terrazza dell’infinito), einer Aussichtsplattform am Ende des Gartens, begrenzt von einer Balustrade mit Büsten aus Marmor – und vor uns nichts als Meer, das Tyrrhenische Meer, tiefblau. Und in dem Moment wird mir klar: Etwas viel Schöneres als das hier werde ich in meinem Leben wohl nicht mehr sehen…