Wer das Weinviertel besucht, der kommt am Wein nicht vorbei. Und damit auch nicht
an den Kellergassen – von denen einige wahre Prachtexemplare sind.
Eine kleine Genuss-Tour durch den Nordosten Niederösterreichs…
Nun stehe ich also am Fuße des Galgenbergs bei Wildendürnbach nahe Laa an der Thaya und überlege, ob die Kellergasse, die sich da oben rund um den Hügel schmiegt, die schönste Kellergasse Österreichs ist. Ein heißer Anwärter für diesen Titel ist sie jedenfalls – auch wenn der Name selbst irgendwie wenig einladend ist. Dieser geht auf einen Galgen zurück, der bis zum Jahr 1828 auf diesem Berg befunden hat. Er soll zwar nicht als Richtstätte, sondern nur zur Abschreckung gedient haben. Aber: Das Bild eines Galgen verdränge ich schnell, heute steht der 256 Meter hohe Galgenberg vor allem für seine hervorragenden Weine, die auf 40 ha rund um den Berg bewirtschaftet werden. Und die wollen wir jetzt auch ausprobieren…
Wir haben Glück: Bei unserem Besuch Mitte Juni stehen einige Kellertüren am „Golingbir“, wie er von den Weinviertlern liebevoll genannt wird, weit offen. Und beim Keller der Familie Rindhauser überzeugen uns nicht nur köstliche Weine, sondern auch die üppig belegten Brote, die hier serviert werden. Und natürlich auch der Ausblick auf die Weinhänge, die da unter uns so sanft in die Ebene auslaufen…
Nach dem Essen sollst du ruhen… ja, oder eben doch recht viele Schritte tun und wir entscheiden uns für zweiteres: Schließlich will der Galgenberg umrundet werden. Um die 180 Presshäuser und Weinkeller sind hier aneinandergereiht, viele davon an die 300 Jahre alt. Der Abendhimmel färbt sich leicht rosa und wir lassen unsere Augen über die Weinhänge wandern: Am besten wächst hier übrigens Grüner Veltliner, Welschriesling, Riesling, Goldburger, Weißburgunder, Sämling 88 oder Frühroter Veltliner. Aber auch Rotwein-Liebhaber kommen bei Zweigelt, Blauburger, Blauem Portugieser und mehr auf ihre Kosten. Bis nach Tschechien hinüber sieht man von hier, was für ein Ausblick… Und vor lauter schauen übersehen wir beinahe, dass wir längst wieder am Ausgangsort angekommen sind – wir haben den Galgenberg tatsächlich bereits umrundet. Und damit übrigens auch den Kirchturm ohne Kirche, der ganz oben am Berg über die Kellergasse wacht: 1971 wurde die baufällige Pfarrkirche im Dorf gesprengt, wobei ausgerechnet die Kirchturmspitze dies fast unversehrt überstanden hat – und dann einen neuen Platz am Galgenberg gefunden hat, als Wahrzeichen. Und ich finde eine Kirchenspitze als Wahrzeichen ja ungleich sympathischer als einen Galgen…
Ein großartiges Erlebnis muss auch „Tafeln im Weinviertel“ am Galgenberg sein: Dann wird an einem Sommerabend in der Kellergasse eine einzige riesige Tafel gedeckt und von einem hervorragenden Koch aufgekocht, 2021 ist dies der junge Haubenkoch Matthias Herbst auf Hanfthal. Die schlechte Nachricht: Im Sommer 2021 ist die Veranstaltung am Galgenberg bereits ausverkauft!
Neuer Tag, neue Kellergasse: Die Burg Falkenstein kenne ich bereits von früheren Ausflügen in diese Region, ein Besuch der ca. 1050 errichteten Festung ist lohnenswert und das nicht nur, weil sie einen hervorragenden Ausblick Richtung Südmähren (Tschechien) bietet. Heute aber steht die Kellergasse im Ort Falkenstein, der am Fuße der Burg liegt, am Programm. Denn die Freundin, mit der ich unterwegs bin, ist überzeugt: Auch diese Kellergasse ist ein Must-see im Weinviertel. Und ich werde nicht enttäuscht: Leicht ansteigend liegt sie da, im oberen Bereich dann mit sogar zwei Kellerzeilen. Rund 65 Presshäuser mit anschließenden Erdkellern sind hier untergebracht und interessant finde ich, dass die Architektur relativ einheitlich ist. Einige der Keller haben eine lange Geschichte, so zum Beispiel der Gmoakeller, der aus dem späten 17. Jahrhundert datiert. Und ich lerne ein neues Wort: „Zahnschnittfries“ – damit sind die Giebel einiger Presshäuser versehen.
Spannend finde ich, dass hier nicht nur Wein produziert und gelagert wurde, sondern auch Eiermärkte stattfanden. Und so wurde der Kellergasse der Name „Oagassn“ (Eiergasse) verpasst. Heute befinden sich in der Gasse Heurigenbetriebe, offene Kellertüren – und ein Restaurant. Und genau da, in der genusswerkstatt sieben:schläfer ergattern wir einen Tisch, zumindest für ein Stündchen zwischen zwei Reservierungen, denn an diesem Juni-Sonntag 2021 ist hier viel los, eine Band spielt auf und nach dem langen Lockdown genießen die Menschen es hier zu sitzen, gut zu essen und endlich wieder unbeschwert zu sein. Eine gute Atmosphäre…
Und dann geht es weiter ins nahe gelegene Poysdorf: Auch hier sind Kellergassen-Fans wie ich gut aufgehoben. Mein Favorit: Der Radyweg, der die längste Kellergasse in Poysdorf und zugleich eine klassische Hohlweg-Kellergasse ist, die hinter dem ehemaligen Poysdorfer Bürgerspital ihren Anfang nimmt. Wer hier entlang wandert, kommt zu den Rieden Hörmannschachern (eine der ältesten in dieser Region), Stein- und Fuchsenbergen. Auch diese Keller blicken auf eine lange Vergangenheit zurück, heute sind allerdings nur mehr sechs der rund 90 Keller in Betrieb. Wer einen solchen von innen sehen will, der kann einen der Schaukeller besuchen – möglich ist dies im Rahmen einer Kellergassenführung. Und wer sich nach all den Kellergassen-Besuchen dann eine flüssige Erinnerung mit nach Hause nehmen will, der legt am besten noch einen Stopp im gut sortierten Weinmarkt Poysdorf ein: 30 WinzerInnen aus dem Bezirk Mistelbach sind hier vertreten. Mein Favorit: Der Weinviertel DAC, ein Grüner Veltliner, trocken, mit einem fruchtig und zugleich würzig-pfeffrigen Geschmack. Damit ich auch zu Hause immer ein bisschen Weinviertel-Feeling habe…
destination
Kellergasse Galgenberg
Gemeinde Wildendürnbach, 2164 Wildendürnbach
Kellergasse Falkenstein
2162 Falkenstein
Kellergasse Poysdorf "Radyweg"
Radyweg, 2170 Poysdorf
Weinmarkt Poysdorf
Brünner Straße 28, 2170 Poysdorf