• 8 Must-sees im Südtiroler Ober-Vinschgau
    Natur und Kultur – was man im oberen Vinschgau nicht versäumen sollte...

Sommer 2019

Von Kindheit an war Südtirol die Seiser Alm für mich. Und natürlich auch Bozen. Und später ist auch noch der Kalterer See dazu gekommen. Und nach Meran und Umgebung führte mich auch der eine oder andere Abstecher. Aber jetzt: der Vinschgau. Zu dem ich so gar keine Assoziation hatte, außer, dass das Vinschgauer Tal beim Reschenpass seinen Anfang und rund 80 Kilometer später in Meran sein Ende findet... Und mitunter landschaftlich rauer sein soll als die sanften Almlandschaften im Südosten Südtirols, an denen mein Herz nun schon so lange hängt. Damit stellte sich also die Frage: Wird mir der Vinschgau gefallen? Und so führte kein Weg daran vorbei, ihn ausgiebig zu beschnuppern, diesen Vinschgau...

Bergglück – das ist wohl das erste, was einem zum Vinschgau einfällt. Schließlich gibt es Berge satt im Vinschgau, wunderschöne noch dazu, allen voran  König Ortler mit fast 4.000 Metern Höhe. Eine grandiose Bergkulisse erwartet einen hier: Ötztaler Alpen, Texelgruppe im Norden, die Ortlergruppe dann im Süden. Letztere besticht mit ihren ewig schneebedeckten Gipfeln: Ortler, Königspitze, Zebrú und Cevedale. Ein Bergpanorama, das man ewig bestaunen könnte. Da oben die beeindruckenden, schroffen Gebirgspanoramen mit etlichen vergletscherten Dreitausendern, herunten im Haupttal weite Felder, von Wein bewachsene Hänge und schier unendliche Apfelgärten. Geradezu lieblich präsentiert sich die Malser Haide zwischen Reschensee und Glurns: Abfallend, wie hingegossen liegt sie da, der größte Schwemmkegel der Alpenregion. Jahrhunderte alte Bewässerungskanäle durchziehen die Haide, die sogenannten Waale – stundenlang kann man daran entlang wandern, durch sattgrüne Wiesen. Und weil die Haide besonders fruchtbar ist, gedeihen hier auch die "Vinschger Marillen" besonders gut. Auf den ersten Blick bietet der Vinschgau vielleicht nicht allzu viel vom gängigen Bild Südtirols, denn er präsentiert sich neben seinen lieblich anmutenden Landstrichen streckenweise und vor allem in höheren Lagen durchaus herb. Aber: Wer hierher kommt, findet eine kontrastreiche und vielschichtige Schönheit vor, stelle ich bald fest.

Nicht nur die Natur und die damit verbundenen Sport-Möglichkeiten überzeugen mich, sondern auch das, was die Kulturregion Vinschgau zu bieten hat: Orte mit wunderschönen, sorgfältig renovierten historischen Ortskernen, steinalte Kirchen, Klöster, Burgen. Und natürlich auch das, was man auf den Tellern vorfindet, abends, hungrig, nach einer ausgiebigen Berg- oder Sightseeingtour – zum Beispiel im flurin im hübschen kleinen Städtchen Glurns: Was hier auf den Tisch kommt, ist aus der Region – und das schmeckt man auch. Und nicht zuletzt verliebe ich mich in den Ort, der für zwei Wochen zu unserem temporären Zuhause wird: Schlinig, hoch oben in einem Talschluss des Schlinig-Tals, einem Seitental des Vinschgaus, nahe der Schweizer Grenze. Dort, wo uns Gastgeberin Steffi mit offenen Armen und einem großen Lachen aufgenommen hat, in ihrem Andrien. Woran man merkt, dass es ein bisschen ein Zuhause war? Na daran, dass man bald zurückkehren will. So wie wir, gleich im nächsten Sommer... (um dann auch ein wenig den unteren Vinschgau zu erkunden).

Und folgendes sollte man im oberen Vinschgau – abseits von wunderschönen Bergtouren – nun wirklich auf keinen Fall verpassen...

Tipp Nr. 1: Die Churburg oberhalb von Schluderns

Man sieht sie schon von weitem, majestästisch liegt sie auf einem Hügel oberhalb von Schluderns: Die Churburg, einer der sehenwertesten Adelssitze Südtirols und zugleich der einzige, der seit Jahrhunderten durchgehend im Besitz von ein und derselben Adelsfamilie ist. Mit dem Auto geht es durch Schluderns hinauf zum Parkplatz, von dem es dann nur mehr wenige Minuten zu Fuß ins Burginnere sind. Allerdings: Öffentlich zugänglich sind nur einige Teile der Burg und dies auch nur im Rahmen einer Führung. Dennoch, wer über genügend Zeit verfügt, sollte sich das nicht entgehen lassen, denn auf die Besucher wartet hier ein architektonisches Prunkstück: Der dreigeschossige Renaissance-Loggienhof. Der Arkadengang ist an allen vier Seiten flächendeckend bemalt; an den Wänden finden sich hier Tiere, Früchte und Szenen aus Tierfabeln, darüber lateinische Sprüche über das Leben. Besonders beeindruckend fand ich die Gewölbemalerei des Arkadengangs: Denn hier wird in Form von Symbolen die genealogische Abfolge der Vögte von Matsch und Grafen von Trapp – die Besitzer der Burg – bis zum Jahr 1580 dargestellt. So zieht sich der Stammbaum der beiden Familien durch den ganzen Arkadengang und man kann mit in den Nacken gelegtem Kopf die Geschichte der Familie quasi "nachlesen".... Ranken, Früchte und Blätter wachsen da über unseren Köpfen, wie in einer Laube fühlt man sich hier. Dazwischen die bunten Wappen der beiden Adelsgeschlechter. Die Wurzel des Stammbaums findet man übrigens in der Südostecke des Arkadengangs. Fotografieren ist leider – und irgendwie auch verständlicher Weise – nicht erlaubt, deswegen muss man sich das jetzt einfach mal vorstellen. Wie auch die beeindruckende Rüstkammer: Sie besteht größtenteils aus originalen Rüstungen des Burgherren und seiner bewaffneten Knechte, die bei Turnieren als auch im Kampf zum Einsatz gekommen waren.

Gut zu wissen:
Die Churburg ist nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen, gezeigt werden der Arkadengang, Jakobszimmer und Bibliothek, der Wehrgang, die Rüstkammer, die alte Burgkapelle und der alte Pferdestall, Dauer ca. eine Stunde. Führungen gibt es jeweils zwischen 20. März und 31. Oktober, Montag ist Ruhetag (außer an Feiertagen). Mehr Informationen gibt es hier.

Tipp Nr. 2: Glurns – Kleine Stadt, große Sehenswürdigkeit

Hier gibt es kein kunsthistorisch überragendes oder weltweit bekanntes Kunstwerk zu finden, vielmehr ist die kleine Stadt Glurns eine Art Gesamtkunstwerk - und deshalb unbedingt einen Besuch wert, zählt es doch zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Südtirols. Wie das geht? Die kleine Stadt (mit rund 900 EinwohnerInnen eine der kleinsten Städte weltweit) an der Etsch wurde infolge der Schlacht an der Calva  im Jahr 1499 durch die Schweizer komplett eingeäschert, dann aber als kleine Festungsstadt wieder zur Gänze aufgebaut. Seitdem ist Glurns Stadtbild fast unverändert erhalten geblieben, ein absoluter Ausnahmefall. Mit seinen vollständig erhaltenen Ringmauern und den drei Tortürmen besitzt die Stadt die einzige erhaltene geschlossene Wehranlage der Alpen. Wieviel Respekt man vor den Schweizern damals hatte und wie sehr man fürchtete, dass sie noch einmal versuchen würden die Stadt einzunehmen, sieht man auch an diesen Türmen: Schießscharten, Vorrichtungen für Fallgatter und Zugbrücken, all das ist noch zu erkennen. Ansonsten ist Glurns jedoch ein sonnengeflutetes, friedliches kleines Städtchen mit einem mitteralterlichen Stadtkern.

Man sollte sich Zeit nehmen, um durch die pittoresken Gassen mit den schönen und sorgfältig renovierten Häusern zu spazieren. Größte Attraktion ist die original erhaltene Laubengasse, wer hier durchgehen will, stösst sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei jedem Schritt den Kopf an, so niedrig sind die Gewölbe. Lohnenswert ist auch ein kurzer Spaziergang durch das Tauferer Tor über die Holzbrücke an der Etsch hinauf zur gotischen Pfarrkirche der Stadt, St. Pankratius: Ein riesiges Außenfresko (1496) zeigt beeindruckend ein Motiv des Jüngsten Gerichts. Nicht zuletzt hat man von dort auch einen tollen Ausblick auf die Festigungsmauern und Türme von Glurns. Berühmter Sohn der Stadt war übrigens der Künstler und Zeichner Paul Flora, hier geboren und auch begraben – die Stadt widmete ihm eine Dauerausstellung im Tauferer Torturm.

Gut zu wissen: Exzellent essen und neuerdings auch gut schlafen kann man im flurin, das sich in einem ehemaligen Gefängnisturm im Stadtzentrum befindet.

Tipp Nr. 3: Kloster Marienberg: Höchstgelegene Benediktinerabtei Europas

Mächtig und festungsartig liegt sie da oben, mit ihren hohen weißen Mauern, den Türmen und Zinnen, an den Berghang geschmiegt: Die Benediktiner-Abtei Marienberg oberhalb von Burgeis im oberen Vinschgau. Wer sie besuchen will, der nimmt die kurvenreiche Bergstraße, die von Burgeis Richtung Prämajur und Schlinig hinaufführt. Auf 1.350 Metern liegt Marienberg und ist damit die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas. Beeindruckend ist dementsprechend auch der Ausblick von oben: Die Obervinschgauer Orte Burgeis und Mals als auch die Maiser Haide liegen einem hier gleichsam zu Füssen und auch die Churburg kann man vor hier aus erspähen. 

Wer die Möglichkeit hat, an einer Führung durch die Krypta teilzunehmen, der sollte sich das nicht entgehen lassen: Als hier 1980 die Grufteinbauten entfernt wurden – seit Umbauarbeiten im Jahr 1643 diente die Krypta als Bestattungsort für die Mönche – kamen in dieser rund 20 Meter langen Unterkirche Fresken zum Vorschein, die über Jahrhunderte verborgen geblieben waren. Der Freskenzyklus mit seinen leuchtenden Farben ist ein beeindruckendes Beispiel romanischer Kunst. Lohnenswert auch ein Besuch der Stiftskirche aus dem späten 12. Jahrhundert, die man durch ein schönes steingerahmtes, romanisches Portal mit Rundbögen betritt. Besonders ins Auge sticht hier die "Schöne Madonna" aus dem 15. Jahrhundert im Tympanon: Die Gottesmutter reicht  dem Jesuskind einen Apfel.

Ebenfalls beeindruckend und einen Besuch wert ist die neue, topmodern gestaltete Stiftsbibliothek mit viel Beton, Glas und Stahl, die Ende Mai 2019 eingeweiht wurde. Fünf Jahre lang wurde umgebaut und der umfangreiche Buchbestand digitalisiert, nun haben über 100.000 Bücher in den neuen Räumlichkeiten Platz gefunden. Weitere 50.000 Bücher können hier künftig untergebracht werden. Das Spektakuläre daran: der eigentliche zweistöckige Bibliotheks-Korpus ist im Bauch des mächtigen Klosters untergebracht, gleichsam in einem unterirdischen Gebäude unterhalb des Klausurgartens. Damit blieb die äußere Silhouette des Klosters unverändert. Hingegen oberirdisch, im Herrengarten, befinden sich der neue Lesesaal sowie das Archiv: Ersterer in der profanisierten ehemaligen romanischen Ägidiuskirche, zweiteres in den Archivräumen im historischen Wehrturm. Was mich unter anderem besonders fasziniert hat: Dank eines einfachen mechanischen Systems kann bei diesm Bau weitgehend auf moderne Technik zur Klimatisierung verzichtet werden. Temperatur und Feuchtigkeit können durch einfache Luftklappen gesteuert werden. (Bibliotheks-Führungen sind jeden Freitag um 10:30 Uhr bis 25.10.2019 möglich, weitere Informationen zu Gruppenführungen findet man auf der Website des Stiftes)

Tipp Nr. 4: Reschensee – resche Temperaturen und ein versunkener Kirchturm

Man kann ihn gar nicht verfehlen, den Reschensee, zumindest wenn man aus Österreich, zum Beispiel über den Reschenpass, Richtung Vinschgau reist. Langgestreckt liegt er vor uns, vor der Bergkulisse des Langtauferer Tals, und dann sehen wir auch schon den berühmten aus dem See herausragenden Kirchenturm. Was spektakulär aussieht, erzählt eigentlich eine mehr als tragische Geschichte: Ursprünglich gab es hier drei Seen – den Reschensee, den Grauner See und den Haidersee, letzteren gibt es auch heute noch, südlich vom Reschensee. Grauner See und Reschensee wurden jedoch kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs gestaut. Die tragischen Folgen: Mehr als 670 Hektar Grund und Boden wurden geflutet, unzählige Familien ihrer Existenz beraubt, viele sahen danach den einzigen Ausweg im Auswandern. Sowohl das gesamte Dorf Graun und auch ein Großteil des Dorfes Reschen versanken damals in den Fluten des Stausees. Einzig der Kirchturm der Kirche aus dem 14. Jahrhundert ragt heute noch aus dem See und ist mittlerweile zu einem Wahrzeichen des Vinschgaus geworden. Wer das Seenplateau Reschenpass vom Wasser aus erleben will, der kann von Mitte Juli bis Oktober eine Schifffahrt auf dem See machen. Schwimmen ist übrigens möglich, allerdings sollte man dabei immer die Kitesurfer im Auge haben und rund um die Schleusengebäude ist das Schwimmen natürlich streng verboten. Mein Tipp: In den wenig weiter südlich liegenden 90 Hektar großen und naturbelassenen Haidersee springen! Der ist zwar auch nicht wirklich wärmer (im Sommer zwischen 15 und 20 Grad), bietet aber an heißen Sommertagen oder noch einer langen Bergwanderung eine herrliche Abkühlung...

Tipp Nr. 5: Kurvenrausch – vom Schweizer Santa Maria über Umbrailpass und Passo di Stelvio (Stilfser Joch) ins Südtiroler Prad

Nach unserem Ausflug über die Grenze ins Schweizer Müstair, wo wir das Benediktinerinnenkloster St. Johann – Weltkulturerbe und der Legende nach von Karl dem Grossen gestiftet – besichtigen, beschließen wir spontan über den Umbrailpass (in der Schweiz gelegen) und den Passo di Stelvio (auf der italienischen Seite) zurück nach Schlinig zu fahren. Eine landschaftlich wunderschöne Fahrt erwartet uns hier: Der Umbrailpass ist ein Gebirgspass in der Ortlergruppe zwischen Italien und der Schweiz, die Passhöhe liegt auf rund 2.500 Metern Höhe. Kurve um Kurve windet sich die Pass-Straße hinauf, mit großartigen Ausblicken auf  Bergpanoramen. Ob die zahlreichen Rennradfahrer, die sich hier hinaufquälen, wohl auch einen Blick dafür haben? Jedenfalls haben sie meinen größten Respekt für diese Leistung und insgeheim denke ich, dass mein innerer Schweinehund hier wohl bereits spätestens nach Kehre 3 gesiegt hätte. Auch ein Paradies für Motorradfahrer ist diese Strecke, kein Wunder.

Oben angelangt sieht man genau, wo sich die Grenze zwischen der Schweiz und Italien befindet, die Grenzstation ist heute allerdings nicht mehr besetzt. Wir bleiben stehen und werfen einen genauen Blick in die Karte: Der Umbrailpass verbindet das Schweizer Münstertal bei Santa Maria (im Kanton Graubünden) mit dem Addatal bei Bormio. 13,4 Kilometer ist die Straße lang und ich habe noch mehr Respekt vor jedem, der hier auf zwei unmotorisierten Rädern hinauffährt.

So oft habe ich schon davon gehört und gelesen, nun bin ich tatsächlich hier: Am Stilfser Joch (Passo dello Stelvio), das mit 2.757 Metern Höhe der höchste Gebirgspass in Italien ist und nach dem Col de l’Iseran der zweithöchste asphaltierte Gebirgspass der Alpen. Und hier oben wurlt es: Schweißgetränkte Radfahrer, die erschöpft aber glücklich ihr Ziel erreicht haben, Unmengen von Motorradfahrern, und dazwischen der Geruch von Bratwurst, die hier an Ständen verkauft werden. Also werfen wir einen letzten Blick auf das wirklich beeindruckende Ortler-Massiv und dann machen wir uns bald wieder auf, um durch 48 Kehren und mit atemberaubenden Fernblicken Richtung Prad (in Südtirol) zu fahren. Während wir hier hinunterfahren, gilt einmal mehr mein Respekt den Radfahrern, die sich mit bewundernswerter Energie und Verbissenheit Kehre um Kehre den Berg hinaufkämpfen. Nicht umsonst gehört diese 48-Kehren-Auffahrt von Prad zu den bekanntesten und vor allem prestigeträchtigsten Anstiegen in Europa.

Tipp Nr. 6: Mals – Sonnenlage & Bergpanorama

Man erkennt das hübsche Dorf bereits aus der Ferne gut: Fünf Türme sind ganz deutlich und markant zu erkennen (ursprünglich waren es sieben) – drei gehören zu romanischen Kirchen, einer zu einer gotischen Kirche, Nummer 5 gehört zu einer Burgruine, die sich mitten im Ort befindet. Eine perfekte Sonnenlage hat Mals, das malerisch an einem sanften Hang am Fuße der Malser Haide liegt, und zum Flanieren einlädt. Ein paar nette kleine Läden gibt es im Ortskern, einige Gasthäuser, hübsche Schanigärten. Zugleich ist Mals ein perfekter Ausgangsort für Wanderungen: Denn der Ort ist umgeben von den Ötztaler Alpen im Osten, der Ortlergruppe im Süden und der Sesvennagruppe im Westen.
Und nicht zuletzt ist in Mals auch eine der kunsthistorisch bedeutsamsten Stätten des Vinschgaus zu finden: In der Kirche St. Benedikt mit beeindruckenden Fresken und Stuckverzierungen aus karolingischer Zeit.

Tipp Nr. 7: Burgeis – Kleine Dorfschönheit unterhalb des Watles

Barocke freskierte Hausfassaden, alte Portale, Erker, Freitreppen, gemalte Fensterumrahmungen – wer über genügend Zeit verfügt bei einem Vinschgau-Aufenthalt sollte das kleine Dorf Burgeis, das unterhalb des Berges Watles und am Oberlauf der Etsch liegt, unbedingt auf seine Liste setzen. Denn Burgeis besticht mit einer unverändert intakten Dorfarchitektur, die man so oft nicht findet. Besonders schön ist der Dorfplatz: Alte Gasthäuser an allen Seiten, ein großer Brunnen mit einer Säule, auf der eine Holzskulptur des hl. Michael thront. Hier kommen die Leute zusammen, in der Dorf Bar, auf ein Glas Wein, einen Sprizz. Und auch wir sitzen hier am Brunnen und genießen die Spätnachmittagsonne bei einem Glas. Hier würde man es länger aushalten...

Als wir uns doch losreissen können, machen wir noch einen Stopp in der Pfarrkirche St. Maria, die mit einem interessanten und seltenen Detail aufwartet: Einer Figur eines Mannes mit Blatthänden, am kleineren der beiden Seitenportale der Kirche. Warum seine Hände so dargestellt sind, das hat man allerdings bis heute nicht herausgefunden. Sehenswert ist auch das kleine romanische Kirchlein St. Nikolaus am oberen Ende des Dorfes: Zwischen großen Bäumen, neben einem für den Vinschgau typischen Waal (Bewässerungskanal), liegt die kleine Kirche, die über eine gotische Balkendecke und Reste romanischer Fresken in der Apsis verfügt. Leider kann die Kirche nur zu bestimmten, sehr eingeschränkten Zeiten besichtigt werden. 

Tipp Nr. 8: Das Rojental – wo man die Welt vergessen kann...

Ein bisschen habe ich das Gefühl, die Welt hat dieses Tal vergessen. Denn so fühlt es sich an, als wir vom Reschensee kommend südwestwärts Kurve für Kurve in dieses Seitental hineinfahren. Und schließlich liegt das Rojental vor uns: Grün, weit, sanft, einsam, wunderschön. Nicht umsonst sind weite Teile diese Talgrunds Landschaftsschutzgebiet. Es regnet leicht, der Himmel ist grau und dennoch kann das alles nicht von der Schönheit dieses Tals ablenken, das sich vor uns ausbreitet, mitten darin der kleine Ort Rojen. Dahinter majestätisch die Bergspitzen, die in das Tal herunterlugen: Der Jochbodenkopf, der Äußere Nockenkopf, der Innere Nockenkopf, der Grionkopf, der Piz Rasass und viele weitere... Und schon bereuen wir, dass wir keine Wanderung geplant haben, denn nein, heute sind wir wegen einer kleinen Kirche da, der St. Nikolaus Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die mit prächtigen Fresken geschmückt ist.

Den Schlüssel für das kleine Kircherl gibt es im Gasthaus Rojen/Bergkristall und schon steigen wir die wenigen steilen Meter hinauf zu der kleinen Kirche. Kaum drinnen, entladen sich die Wolken, die gerade noch unheilschwanger über dem Tal gehangen sind. Laut, mit riesigen Regenmengen, ein krachendes und zwischen den Bergen dröhnendes Gewitter zieht über uns hinweg. Ich kauere mich unbewusst in einer Kirchenbank sitzend zusammen, ziehe den Kopf zwischen den Schultern ein. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schwarz gekleidete Frauen mit schwieligen Händen, die Haare im Nacken streng zu Knoten zusammengebunden, sie sitzen mit eingezogenen Köpfen in den Kirchenbänken, beten murmelnd und bitten um Hilfe, auf dass das Unwetter den Ort verschonen möge. Ganz plötzlich spüre ich Geschichte, wie oft haben die Menschen hier wohl in den vergangenen Jahrhunderten Zuflucht und Hilfe gesucht, in dieser kleinen Kirche. Eine ganz eigentümliche Stimmung, hier herinnen, während draußen die Welt unterzugehen scheint. Jedenfalls Zeit genug, um die kleine gotische Kirche ausgiebig zu besichtigen: Zu sehen gibt es Fresken aus der Meraner Schule aus dem 15. Jahrhundert, der Freskenzyklus im Kreuzgewölbe des Innenraums stellt das Leben Jesu von seiner Geburt bis zur Auferstehung dar, das Martyrium des hl. Sebastian sowie die Nikolauslegende. Früher war Rojen übrigens Sommersitz der Bischöfe; kein Wunder, konnte man hier die Welt da draußen vermutlich für eine gewisse Zeit komplett hinter sich lassen.

Wir lauschen dem Regen, der in schweren Tropfen gegen die Fenster schlägt, dann öffnet mein Mann vorsichtig die Kirchtentüre. Der Regen ist ein bisschen schwächer geworden und das Gewitter scheint weiter gezogen zu sein, komm, lauf – sagt er und schon fällt die Tür hinter uns ins Schloss. Dann geht es bergab, bloss nicht hinfallen auf dem mittlerweile komplett matschigen Untergrund und hinein in die warme Gaststube des Alpengasthofs Bergkristall. Wo uns die beste Suppe mit den flaumigsten Käseknödeln, die wir je gegessen haben, mit dem grauslichen Wetter da draußen versöhnt.

 

Hier gibt es weitere Vinschgau- bzw. Südtirol-Reiseberichte und Hotelempfehlungen:

Gut essen, trinken, schlafen im oberen Vinschgau / 48h Sonnenbad in Meran / Apartmenthaus Andrien / Miramonti Boutique Hotel Meran / Von Elefanten, Fresken und Knödeln: Brixen / Pupp Designhotel Brixen 

Unbeauftragte, unbezahlte Werbung - die Reise erfolgte auf eigene Kosten.

 

destination

Der Vinschgau (italienisch Val Venosta) ist der oberste Teil des Südtiroler Etschtals und reicht vom Reschenpass im Norden bis nach Meran im Süden des Tals. Da er sich zwischen 400 und 4.000 Höhenmetern erstreckt, findet man hier eine besonders vielfältige Natur – mit schneebeckten Bergen, glasklaren aber kalten Seen, wunderschönen Almwiesen und reichlich Obstanbau.

Sportbegeisterte sind im Vinschgau bestens aufgehoben: Wandern, Mountainbiken, Surfen und Kitesurfen (auf dem Reschensee bzw. Haidersee) im Sommer, im Winter dann Skifahren, Langlaufen und Eissegeln – mehr Infos dazu gibt es hier.

gut schlafen

Ganz oben in einem Talschluss, im Bergdorf Schlinig, steht das Ferienhaus Andrien. Ankommen, auspacken, zu Hause sein. So geht Südtirol-Urlaub.

Einst war es ein Gefängnis, jetzt nehmen einen hier nur mehr das gute Essen und die stilvollen Suiten gefangen: Im flurin Restaurant & Suites im bezaubernden Städtchen Glurns.

gut essen & trinken

Gut essen und trinken, das ist auch im oberen Vinschgau, wie überall in Südtirol, keine große Zauberei. Tipps gibt es dennoch und zwar hier.