• Schlern, immer wieder Schlern!
    Dolomiten-Wanderung auf ein Südtiroler Wahrzeichen

Müssen wir DA hinauf? Das war die bange Frage, die mein Bruder (6) und ich (8) unseren Eltern damals auf der Südtiroler Seiser Alm am Fuße des Schlerns stellten. Der Gipfel des Schlerns schien uns damals unfassbar weit weg zu sein und es war komplett außerhalb unseres Vorstellungsvermögens, dass wir dort zu Fuß jemals ankommen würden.

Aber ja, sagte mein Vater damals: „Und oben kriegt`s ihr dann eine gute Kaspressknödelsuppe...“. Ob dieses Versprechen damals eine Motivation für uns war, daran kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern. Heute jedoch ist es dies allemal... und wehe, die Suppn ist dann aus!

„Touristensteig“ klingt zugegeben nicht allzu romantisch, aber wir machen an diesem Tag im Juli kaum jemand aus auf dem Serpentinenpfad, der sich von der Seiseralm beständig und manchmal gefühlt ewig den Berg hinauf windet. Aber erst mal zurück zum Start: Der ist am Parkplatz in Seis (den man von Völs aus mit dem öffentlichen Bus erreicht), von wo wir mit der Umlaufbahn auf die Seiseralm, Europas größtes Hochalm, schweben. Oben in Compatsch angelangt, geht es – angenehm zum „eingehen“ – auf einer breiten Forststraße (Weg Nr. 10) über die Seiseralm leicht bergauf Richtung Saltnerhütte. Links Sennhütten, die sich an die Alm schmiegen, rechts grasende Kühe, in der Ferne sehen wir Haflinger. Idylle in Hülle und Fülle, wie es so schön heißt. Und vorne, ganz vorne und wirklich weit weg, zumindest kommt es mir jetzt gerade so vor, lockt der Schlern – der trotz seiner verhältnismäßig geringen Höhe (2563 m) aufgrund seiner charakteristischen, stockartigen Form als Wahrzeichen Südtirols gilt.

Na hoffentlich habe ich gestern Abend nicht allzu leichtfertig das Versprechen abgegeben, heute den Gipfel zu erklimmen. Denn gestern Abend, da saßen wir noch ganz gemütlich am Holztisch vor dem Bergbauernhof Peternaderhof, auf dem wir eine Woche verbringen, mit großartigem Blick auf den Schlern, der sich ganz sanft zeigte in diesem wahnsinnig schönen hellrosa Abendlicht. Ich habe den Kopf in den Nacken gelegt und gesagt: Du Schlern, morgen, da komm ich rauf zu dir!  Und der Schlern, der hat leicht genickt und gesagt: Ja ja, komm du nur. Und jetzt, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Also weiter leicht bergauf und dann geht es auch schon bergab (Weg Nr. 5), in eine Senke und da sehe ich sie schon, die Saltnerhütte, vor der ich als Kind so oft gesessen und gehofft habe, dass das mit der Wanderung auf den Schlern sich doch noch als Irrtum heraus stellen sollte. Es ist noch früh und wir teilen uns einen köstlichen Apfelstrudel (wie man den so macht in Südtirol, mit Mürbteig) und staunen über Touristen, die in kurzen Strandshorts, Trägerleibchen und Turnschuhen Richtung Hütte stolpern. Sachen gibt`s... Aber jetzt geht es los, denn vor Mittag wollen wir oben sein am Berg. Also über die kleine Brücke über den Frötschbach und eine herrlich blühende Bergwiese Richtung Touristensteig (Markierung 1).

Nun geht es in Serpentinen hinauf, stetig ansteigend, die Sonne scheint schon recht effizient auf uns herunter und wir sind ziemlich alleine unterwegs.  Je höher wir kommen, desto mehr Edelweiß und Enzian sehe ich und fast höre ich die Stimme meiner Mutter: „Die pflückt man nicht – das ist verboten – die fotografiert man mit dem Auge...“ Also, klick – und noch ein Stella Alpina fotografiert, die italienische Bezeichnung finde ich ja viel schöner. Am Berg sagt man du, grüßt und ist ehrlich, so oder so ähnlich hab ich es in meiner Kindheit auch oft gehört und deswegen ist jetzt auch der Moment für ein wenig Ehrlichkeit gekommen: Ein paar mehr oder sagen wir, überhaupt ein paar Besuche im Fitnesscenter wären vermutlich hilfreich gewesen. Aber dann treffe ich auf eine mindestens 85jährige Dame, die wenige Kehren vor dem Hochplateau auf einem der wenigen Holzbankerln neben dem Weg sitzt und wir kommen ins Plaudern: Ach, ich gehe da jede Woche rauf im Sommer sagt sie in schönstem Südtirolerisch, aber heute, heute da schaffe ich es nicht weiter, jetzt geh ich dann wieder zur Saltnerhütte runter... Und da ist sie wieder, die Motivation – und viel Bewunderung für diese wirklich rüstige Dame – und wohl auch ein bissl die Vorfreude auf die Kaspressknödelsuppe oben. Vom Touristensteig aus lässt sich übrigens die gesamte Seiser Alm überblicken. Und wer ein bisschen Glück hat, der begegnet vielleicht sogar ein paar Murmeltieren...

Und dann sind wir auch schon oben: Vor uns liegt das Schlernplateau mit Wiesen und Weiden, die endlos erscheinen, und unzähligen Kühen, die hier friedlich grasen. Über die Schlernhochfläche geht es nun gemächlich hinüber zum Schlernhaus (2457 m) und wer jetzt noch Energie hat, der investiert auch noch weitere 20 Minuten in den mäßig ansteigenden Aufstieg zum Gipfel des Petz. Was für ein Ausblick! 

Auf einer anderen Südtiroler Berghütte hatte ich zuletzt eine Tafel mit folgender Aufschrift gelesen: Nur wo man zu Fuß hingeht, ist man wirklich gewesen. Das kann ich auch hier heroben wieder mal nur bejahen. Aber nicht nur der Weg ist das Ziel, sondern eben auch die Kaspressknödelsuppe und da gibt es in der Schlernhütte erst mal schlechte Nachrichten für mich: „Die is aus“, sagt der Hüttenwirt lapidar. Und sieht mein Gesicht, das sich augenblicklich verfinstert. Nach drei Minuten steht er wieder mit einem dampfenden Teller Suppe da: „Do hoscht. An guatn...“. Der letzte Rest vom Suppenfest ist meiner und meine Welt in Ordnung. Gestärkt verlassen wir dann die Hütte (Achtung, Stempel für das Tourenbuch nicht vergessen – damit der Gipfelsturm auch schwarz auf weiß bewiesen ist!) und legen uns auf die Wiese: Was für ein Blick – auf die Lang- und Plattkofelgruppe als auch die Sellagruppe. Was für eine Ruhe. Was für eine Luft. Schlern, ich mag dich... vor allem, wenn ich dann oben bin. (Und wer sich über die Qualität der folgenden Fotos wundert: Das ist das Resultat, wenn man vor lauter Bergeuphorie die Kamera fallen lässt...)

Aber dann heißt es Abschied nehmen und es geht wieder hinunter: Über die Sesselschwaige kommt man zum berühmten Prügelweg. Zwischen steilen Wänden wurden in der wildromantischen Schlernschlucht zahlreiche Holzbrücken errichtet, um die Kühe von Völs hinauf auf den Schlern zu treiben, wo sie dann den Sommer verbringen durften. Und das ist auch heute noch so: Die Völser Bauern treiben ihr Vieh jedes Jahr im Frühsommer auf diesem Weg hinauf zu den Schlernalmen. Da ist gute Kondition gefragt: Bei Mensch als auch Tier. Nachdem wir den Prügelweg hinter uns gelassen haben, kommen wir zum Wegkreuz Peter Frag und von dort geht es weiter zur Tuffalm und dann hinunter zum Völser Schlern. Dann liegt noch das letzte Stück vom Weiher hinunter nach Völs vor uns. Und um ehrlich zu sein: Füsse als auch Knie spüren wir jetzt schon ganz schön...

Der Schlern – die Wanderung auf einen Blick:

Wunderschöne Wanderung mit fantastischen Aussichten.
Die Wanderung auf den Schlern ist nicht allzu schwierig, dennoch geht sie einigermaßen in die Beine, zumal beim Anstieg doch eine Höhendifferenz von rund 900 hm zu bewältigen ist. Der Touristensteig Nr. 1 ist gut ausgebaut, gutes Schuhwerk ist dennoch gefragt. Trittsicherheit verlangt der Abstieg via Prügelweg und Schäufelesteig.

Gehdistanz dieser Route: Ca. 25 km. (Aufstieg ab Compatsch: Ca. 3,15 bis 3,30h; Abstieg via Prügelweg bis nach Völs am Schlern ca. 2,5 bis 3h - je nach Kondition.)

Das Schlernhaus (2457 m – Rifugio Bolzano) ist geöffnet von Mitte Juni bis Anfang/Mitte Oktober. www.schlernhaus.it