• Ein Wochenende in der Fuggerstadt (1)
    Augsburg I Deutschland

Oktobr 2023

Nach Augsburg zieht es mich immer wieder – der Familie wegen. Und ja, Städte,
in denen man liebe Menschen kennt, die sieht man vielleicht nicht mit so neutralen Augen wie andere Orte.
Aber so oder so: Die Fugger- und Wasser-Stadt Augsburg ist definitiv eine Reise wert und ein paar Tage sollte man für die schwäbische Metropole, die historisch und kunstgeschichtlich so einiges zu bieten hat, auf jeden Fall mitbringen…

Nach München und Nürnberg liegt Augsburg mit rund 300.000 Einwohner:innen auf Rang 3, geht es um die Größe bayrischer Städte. Die 3 sticht auch, wenn es um die Flüsse geht, an denen die Stadt liegt: Nämlich Lech, Wertach und Singold. Wasser, ein Element, das in der Stadt nicht zu übersehen ist – denn Augsburg verfügt über zahlreiche Kanäle, von denen die meisten durch das hübsche Lechviertel in der Altstadt fließen. An die 500 Brücken spannen sich übrigens über diese Kanäle. Und damit ist man schon mitten drinnen in Augsburg... Was muss man gesehen haben in der Fuggerstadt, welche Stadtviertel sind besonders malerisch, was wird als Augsburgs Prachtmeile bezeichnet und welche Kirchen sollte man auf jeden Fall auf dem Zettel haben? Hier geht es los mit einem Rundgang durch die Stadt. Die gute Nachricht vorweg: Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind kompakt verteilt zwischen Königsplatz, Annastraße, Rathausplatz, Maximilianstraße und dem Domviertel. Nicht zu vergessen natürlich auch die Unterstadt mit dem Lech- und Ulrichsviertel und der Jakobervorstadt – ebenfalls ein Must, wenn man in Augsburg ist. Los geht`s...

Genussmeile Stadtmarkt
Als jemand der Märkte und Blumen liebt, zieht es mich zuallererst gleich mal auf den Stadtmarkt: In den 1930er Jahren ist dieser im Stadtzentrum zwischen Anna- und Fuggerstraße entstanden und bis heute ein großer Anziehungspunkt für die Augsburger:innen. Da gibt es eine Fleisch- und Viktualienhalle, eine Bäckergasse wie auch eine Obst- und Gemüsegasse, Fischstände und – nicht zu übersehen – üppig bestückte Blumenstände. Feinkost, die auch feine Preise hat, findet man hier auch, und darüber hinaus auch so manches Marktlokal. Hier geht man nicht nur einkaufen, sondern trifft sich auch auf einen Imbiss oder ein Steh-Achterl. Am besten draußen im Schanigarten, in der Sonne. Und das ganz gemütlich, denn wie sagt der Augsburger so schön: „Nur net hudle…“. 

Warum man in der St. Anna Kirche sofort an Martin Luther denkt
In unmittelbarer Nähe zum Stadtmarkt, an der Annastraße (Fußgängerzone) und damit gegenüber der Rückseite des Maximilianmuseums befindet sich eine Kirche, die man keinesfalls verpassen sollte: Die St. Anna Kirche, 1321 von Karmeliten errichtet. Wer sie betritt wundert sich erst mal, dass St. Anna für eine evangelische Pfarrkirche ungewohnt üppig anmutet. Was jedoch keine Überraschung ist, war die Annakirche, wie sie von den Augsburgern genannt wird, ursprünglich eine katholische Kirche und wurde erst 1548 protestantisch. Und damit überrascht auch nicht, dass sich in dieser Kirche ausgerechnet eine Fuggerkapelle befindet, galten die Fugger doch als eine streng katholische Familie. Diese Gedächtnis- und Grablege-Kapelle hatte Jakob Fugger 1509 für sich und seine Brüder errichten lassen. U. a. durften hier zwei ausgewiesene Experten zu Werke gehen: Nämlich Albrecht Dürer und der Augsburger Bildhauer und Architekt Sebastian Loscher. Die Kapelle wurde teils nach italienischem Vorbild geplant und gilt übrigens als der erste im Stil der Renaissance gestaltete Raum dieser Art in Deutschland. Die Fuggerkapelle blieb auch katholisch, als St. Anna schließlich protestantisch wurde, denn die Fugger-Stiftung kam weiterhin für den Erhalt der Kapelle auf. Ein spannendes Detail der Geschichte der Annakirche also, dass ein bestimmter Teil der Kirche einer anderen Konfession als die restliche Kirche angehört.

Man sollte aber nicht nur die Fugger-Kapelle besichtigen, sondern unbedingt auch die Goldschmiedekapelle: 1420 errichtet, wurde sie 1496 zur Andachtsstätte für die Augsburger Goldschmiedezunft und trägt seitdem den Namen Goldschmiedekapelle. Besonders schön die gotischen Deckenfresken als auch Wandmalereien, u.a. sieht man hier einen Passionszyklus, der um 1420 geschaffen worden sein soll.

Sehr schön sind auch die Deckenfresken im Langhaus-Gewölbe, die von Johann Georg Bergmüller geschaffen wurden und u. a. Bergpredigt, Kreuzigung und das Jüngste Gericht zeigen. Sehenswert auch das Tafelbild des neugotischen Altars im Ostchor: Es wurde von Lucas Cranach dem Älteren geschaffen („Jesus segnet die Kinder“). Ebenfalls von dem berühmten Renaissance-Maler geschaffen: zwei Porträts links vom Altar (im Ostchor), auf denen Johann Friedrich I. von Sachsen (auch als Friedrich der Großmütige bekannt) und Martin Luther zu sehen sind.

Und damit wären wir auch schon bei Martin Luther (deutscher Augustinermönch und Theologieprofessor, der zum Gründer der Reformation wurde), dank dem das damalige Karmelitenkloster, zu dem St. Anna gehörte, über die Stadtgrenzen hinaus Berühmtheit erlangte. Luther nächtigte hier nämlich im Jahr 1518: In der Stadt war er, weil er dem römischen Kardinal Cajetan Rede und Antwort stehen musste – und zwar zu seinen 95 Lutherschen Thesen. Eine spannende Sache, denn Augsburg galt damals als erzkatholisch. Nicht weniger als den Widerruf dieser Themen verlangte Cajetan von Luther. Aber Luther weigerte sich standhaft und floh schließlich nächtens aus Augsburg, mit Hilfe des Karmeliterordens, um einer Verhaftung zu entkommen. Nur sieben Jahre später wurde St. Anna zur ersten protestantischen Kirche Augsburgs. (Wer mehr über Augsburg in der Zeit der Reformation, Luther und schließlich die Entstehung des Protestantismus erfahren will, sollte am besten einen Stopp im Martin-Luther-Museum einlegen, in das man vom Kreuzgang aus über die sogenannte Lutherstiege gelangt. Angeblich soll Luther über genau diese Stiege in seine Räumlichkeiten gegangen sein.)

Nach soviel Geschichte, die man hier auch ein wenig zu spüren glaubt, drehen wir noch eine Runde durch den sehenswerten Kreuzgang mit schönen Patriziergräbern. Und dann werfe ich noch mal einen Blick nach oben, bevor ich St. Anna verlasse: Auf der Balustrade aus Marmor, die die Fuggerkapelle von der Kirche trennt, haben sich einst sechs kleine Putten aus Kalkstein befunden. Jene Figuren, die es heute noch im Original gibt, findet man im Maximilianmuseum. In der Kapelle sind nur mehr Kopien zu sehen – aber das tut meiner kleinen Verliebtheit für die pausbackigen, vor sich hin dösenden Engelsknaben keinen Abbruch. Denn sie sind einfach wirklich süß…

Ein Zeichen von großem Selbstbewusstsein: Rathaus und Perlachturm
Zeit sich durch die Fußgängerzone Annastraße Richtung Rathausplatz aufzumachen: Da stehen sie nebeneinander – links der Perlachturm, rechts das Rathaus, und sie scheinen sich fast an Wichtigkeit übertrumpfen zu wollen. Und ich komme mir gerade sehr klein vor angesichts der beiden hohen bzw. mächtigen Gebäude. Zwischen 1615 und 1620 wurde das Rathaus erbaut, vom Augsburger Renaissance-Baumeister Elias Holl. So wie es dasteht, überrascht es mich nicht, dass das Rathaus als einer der bedeutendsten Renaissance-Profanbauten nördlich der Alpen gilt. Und ja, die ehemals freie Reichsstadt Augsburg wollte damit wohl auch ein Zeichen für ihr Selbstbewusstsein und ihren Stolz auf diesen Status setzen. Mission accomplished, denke ich mir.
Wer die Größe dieses Gebäudes so richtig erfassen will, der sollte unbedingt auch zur Rückseite des Rathauses spazieren. Vom Elias-Holl-Platz aus, der in der Altstadt (der sogenannten Unterstadt) und damit tiefer liegt, wirkt das Rathaus noch mächtiger und beeindruckender. Wenn man es heute anblickt, ahnt man nicht, dass das Rathaus nach einer Bombennacht im Jahr 1944 bis auf seine Außenmauern zerstört worden war. Bis 1962 dauerte es schließlich, bis das Gebäude wieder eingeweiht werden konnte.

Der berühmte Goldene Saal wurde gar erst bis 1996 wieder komplett hergestellt. Dieser liegt im 2. Stock und ist nicht nur aufgrund seines goldenen Prunks beeindruckend: Auch die Raumhöhe (14 m), die sich über drei Stockwerke erstreckt, macht staunen. Und wenn man in dem Saal steht, den Kopf in den Nacken legt und die Augen über all das wandern lässt, für das der venezianische Dogenpalast als Vorbild diente, könnte man glatt vergessen, dass es sich hierbei um einen kompletten Nachbau des 1624 vollendeten Saals handelt. Dabei besonders beeindruckend: Die vergoldete Kassettendecke aus Nussbaum-Holz. Schön ist übrigens auch der Blick aus dem Goldenen Saal auf den Elias-Holl-Platz und die Unterstadt.

Rund 70 Meter Höhe misst der Perlachturm (derzeit, Stand Februar 2024, übrigens wegen Renovierung vorübergehend geschlossen), und wer ihn besteigen will, muss erst mal 258 Stufen hinter sich bringen. Wohlverdient dann allerdings der Ausblick, der, bei gutem Wetter, auch schon mal bis zu den Alpen reichen kann. Auch hier hatte übrigens Baumeister Elias Holl seine Hände im Spiel: Er war für den Umbau und damit auch die Erhöhung des Turms auf seine heutigen rund 70 Meter verantwortlich. Wer Zeit hat, sollte auch einen Blick in die an den Turm angebaute Stiftskirche St. Peter am Perlach (erbaut 1182) werfen: Eine schöne romanische Hallenkirche, die angeblich einer der ältesten Ziegelbauten Süddeutschlands sein soll. Auch sie wurde im Krieg stark beschädigt, aber 1954 wieder im romanischen Stil aufgebaut.

Das Domviertel: Stadtviertel mit langer Geschichte
Es ist eigentlich das alte Zentrum der Stadt: Das Viertel, das sich nördlich rund um den Dom ausbreitet. Zuvor noch nicht erwähnt: Augsburg gehört zu den ältesten Städten Deutschland, deren Name sich von dem hier 15 v. Chr. gegründeten römischen Heerlager und der späteren römischen Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum herleitet. Und genau hier, in diesem Viertel der Stadt, war einst das Zentrum der römischen Metropole Augusta Vindelicum, hier hatten die Römer ihre Provinzhauptstadt errichtet und hier breitete sich danach auch die mittelalterliche Stadt aus.

Die Hohe Domkirche Unserer Lieben Frau, zugleich Kathedrale des Bistums Augsburgs als auch Stadtpfarrkirche, hat eine lange Geschichte; unter dem romanisch-gotischen Bauwerk wurden bei Grabungen sogar Fundamente aus dem 4. Jahrhundert entdeckt, an diesem Standort hatte sich also möglicherweise eine frühchristliche Kirche befunden. Die Erbauung der Anlage, wie sie heute dasteht, datiert auf die Jahre ab 995 zurück.

Steht man vor dem Dom, fällt gleich einmal das Südportal auf, das so eindrücklich vieles zeigt: Szenen aus dem Leben Marias, Propheten und Patriarchen, Apostel und Stifterfamilien und Szenen des Jüngsten Gerichts. Sehenswert auch das sogenannte Brautportal an der Südseite: Hier wurde 1863 ein Tor errichtet für die prächtigen Bronzetüren mit gleich 35 Relieftafeln, die zum romanischen Bau gehört hatten. Sie zeigen Szenen aus dem Alten Testament – allerdings kann man diese Originaltüren heute nur mehr im Diözesanmuseum bewundern. Seit 2002 ist hier ein modernes Millennium-Bronze-Portal von Max Faller zu sehen, das jedenfalls aber auch einen Abstecher entlang des Domes wert ist.

Jetzt aber ein paar Zahlen zum Dom, der in seiner Größe schon ziemlich beeindruckend ist: An die 113 Meter Länge, ca. 40 Meter Breite, die Türme messen ca. 62 Meter Höhe – und auch im Innenraum beeindrucken imposante 18 Meter Höhe im Mittelschiff. Mir fallen zuallererst die schönen Fresken aus romanischer und gotischer Zeit im westlichen Teil des Doms auf. Besonders eindrucksvoll auch das 14 Meter hohe Bild des hl. Christophorus im südlichen Querhaus.

Auf jeden Fall sollte man den Umgangschor (hinter dem Altar) abgehen: Hier sind sieben Chorkapellen mit aufwendig geschmiedeten Eisengittern, schönen Altarbildern, Grabdenkmälern und Glasmalereien zu sehen. Sehenswert auch vier Tafelbilder des Augsburger Renaissance-Malers Hans Holbein der Ältere. Und noch einmal kehren wir zurück zum Westchor des Doms: Hier liegt die Krypta, die im 10. Jahrhundert entstanden ist. Wunderschön auch die romanische Madonna aus dem 13. Jahrhundert, die hier steht.

Als das Licht hereinfällt, präsentieren sich die fünf sogenannten Prophetenfenster auf (an der Südwand des Mittelschiffs) besonders schön. Sie gelten übrigens als älteste figürliche Glasmalereien Deutschlands und sind Mitte des 12. Jahrhunderts geschaffen worden. Spannend finde ich auch die rot aufgemalten Scheinmauern auf den weißen Wänden: Diese Farbgebung stammt aus dem Mittelalter, rekonstruiert wurde sie im Augsburger Dom erst im Zuge von Restaurierungsarbeiten in den 1980er Jahren. Ein ganz besonderes historisches Ereignis darf der Dom übrigens auch verbuchen: 1690 wurde hier Erzherzog Joseph I. zum römisch-deutschen König gekrönt.

Weiter geht es durch die Fuggerstadt Augsburg: Mit Teil 2 und Teil 3.

Der guten Ordnung halber erwähnt: Dies ist ein unbeauftragter und daher auch unbezahlter Beitrag. Die Reise erfolgte zur Gänze auf eigene Kosten.