• Ciao Umbrien! (I)
    Rundreise im grünen Herz Italiens

Juli 2009

Es ist die einzige Region in Italien, die nicht ans Meer und nicht an ein Nachbarland Italiens grenzt – Umbrien. Und es ist eine Region, die einen ausgedehnten Besuch mehr als wert ist. Denn nicht nur die Schönheit dieser Landschaft, nicht umsonst als das „grüne Herz“ Italiens bekannt, sondern vor allem die Städte ziehen einen in den Bann – und haben Umbrien schon längst zu einer ernsthaften Konkurrentin der Toskana gemacht….

Rund 120 Kilometer von Norden nach Süden, höchstens 100 Kilometer von Westen nach Osten – Umbrien ist überschaubar in seiner Größe und hat dennoch viel zu bieten. Die berühmten, sanft geschwungenen grünen Hügel, die Seen und teils schroffen Schluchten, die Berge des Appenin – Naturliebhaber werden genauso glücklich werden wie Kulturinteressierte. Denn in kaum einer Region gibt es so viele interessante Kleinstädte wie in Umbrien: Perugia, Assisi, ihre Namen kennt man, auch von der „Papststadt“ Orvieto hat man gehört, von Spoleto vielleicht auch noch, oder von Norcia, der Stadt des Hl. Benedikt. Aber Montefalco, Trevi, Bevagna oder Todi? Diese Städte sind meist nur eingefleischten Umbrien-Fans ein Begriff und dabei unbedingt einen Besuch wert. Eines ist allen diesen Städten gemeinsam: Man ist ihrer Schönheit hilflos ausgeliefert. Mittelalterliche Straßenzüge, Plätze und Gebäude sind großteils unglaublich gut erhalten. Wie im (Freilicht-)Museum fühlt man sich trotzdem nicht, denn in den meisten Städten erlebt man auch italienisches Alltagsleben. Und Perugia fühlt sich, ob der Universität und der vielen internationalen Studierenden, geradezu kosmopolitisch an.

Noch haben wir unsere Zelte in der Toskana aufgeschlagen, nahe der hübschen Kleinstadt Cortona, und damit aber wiederum ganz nah an der Grenze zu Umbrien. Ein Katzensprung ist es von Cortona an den Lago Trasimeno und deswegen ist er auch die erste Station auf unserer kleinen Umbrien-Rundfahrt – die uns vom Lago di Trasimeno nach Perugia führt, und weiter nach Assisi und Gubbio – und schließlich wieder in der Toskana endet, nämlich im für seinen monatlichen Antiquitätenmarkt berühmten Arezzo. Wer aber in den umbrischen Städten auf den Geschmack gekommen ist, der sollte nach Perugia erst mal noch weiter in den Süden Umbriens fahren, nach Montefalco, Todi und Spoleto – und in die „Papststadt“ Orvieto.

Vom Lago Trasimeno nach Perugia
Aber erstmal zurück an den Lago Trasimeno: Ein bisschen Meeresfeeling hat man hier am Ufer stehend, denn mit fast 130 km² Fläche ist Nummer 4 in der Rangfolge der größten Seen Italiens und nicht immer sieht man das andere Ufer. Mit einer besonders großen Tiefe kann er hingegen nicht überzeugen: Maximal sieben Meter kann man in diesem fischreichen See abtauchen. Was uns gut gefällt hier, auch weil man es u. a. bei uns in Österreich anders gewohnt ist: Zersiedelung entlang der insgesamt rund 50 Kilometer langen Ufer konnte vermieden werden. Man hat fast den Eindruck, als ob die Landschaft am Lago Trasimeno trotz des touristischen Aufkommens weitgehend von Zerstörung verschont geblieben ist. Allerdings: die Abwässer der Landwirtschaft hinterlassen auch hier ihre Spuren, Algen wuchern vielerorts und in vielen Teilen des Sees herrscht immer wieder Badeverbot. Nicht unbedingt erste Adresse für einen Badeurlaub also, man sollte jedenfalls vorab immer recherchieren, wie es aktuell um die Wasserqualität bestellt ist. Da zieht es uns dann eher in das hübsche Castiglione del Lago, das auf einer Halbinsel liegt, von der man einen schönen Ausblick auf den See hat, vom historischen Ortsteil aus. Durch diesen schlendern wir gemütlich, alles präsentiert sich hier mittelalterlich, mit einer gut erhaltenen Stadtmauer und der Burg. Die Umgebung der kleinen Stadt blendet man besser aus, sie ist weniger schön durch Neubauten zersiedelt. Drückend heiß ist es an diesem Tag Anfang Juli und ziemlich schwül, eine Gewitterwolke hängt drohend über uns. Wir flüchten uns in den Schatten einer Gelateria an der Piazza Mazzini, lassen die Wolke vorbeiziehen und wagen uns dann wieder in die Gassen der Altstadt, lassen uns vorbeitreiben an den hübschen Palazzi, wie dem Palazzo del Capitano del Popolo oder dem Palazzo della Corgna, letzterer ist eigentlich die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt. Er wurde von den Herzögen Della Corgna errichtet und beherbergt in den ebenerdigen Sälen bedeutende, mythologische Fresken aus der Zeit des Manierismus. Ein Gang verbindet den Palazzo mit der mittelalterlichen Festung, die von 1550 bis ca. 1640 ebenfalls den Herzögen Della Corgna gehörte. Wir kaufen schließlich noch ein gutes Olivenöl und machen uns auf Richtung Perugia…

40 Auto-Minuten später treffen wir in Perugia ein: Wer die Stadt an nur einem Tag erkunden will, kommt am besten möglich früh in die Stadt – denn es gibt viel zu sehen in der geschäftigen Universitätsstadt, in der die Touristen Gott sei Dank nur eine kleine Minderheit geblieben sind. Wir kämpfen uns mit dem Auto durch die von Neubauten dominierten Bezirke unterhalb der Altstadt, einiges was man hier zu sehen bekommt erinnert uns an architektonische, gesichtslose Geschmacksverirrungen der letzten 70 Jahre in anderen europäischen Städten. Aber dann parken wir unser Auto auf einem Parkplatz an der Piazza de Partigiani und sind dank der Scale Mobile (Rolltreppen), von denen es in Perugia einige gibt, schnell in der am Hügel gelegenen Altstadt – wir landen in der Via dei Priroi und damit wenig später am Corso Pietro Vannucci, der Flaniermeile Perugias: Rund 500 Meter vom Dom San Lorenzo zum Giardino Carducci, auf denen nur sehen und gesehen werden gilt. Vor allem abends, wenn die Bewohner Perugias auch aus den Neubauvierteln in die Altstadt kommen und hier ihre Passeggiata machen.

Mit 18 Jahren war ich das erste Mal in Perugia und schon damals begeistert von dem rund 600 Jahre alten Stadt-Labyrinth, mit Treppenwegen, mittelalterlichen Steinhäusern, unzähligen schönen Torbögen, verwinkelten Gassen – wer hier eintaucht, fühlt sich wie in einer anderen Welt. Etwas dunkel kam mir die Stadt damals vor, aber das war wohl dem Wetter geschuldet, denn dieses Mal empfinde ich die Stadt als hell und freundlich.

Und schon füllt sich die Altstadt ein wenig, an diesem Sommertag auch mit dem einen oder anderen Touristen, ansonsten bestimmen hier StudentInnen das Stadtbild. Denn an der Università per Stranieri machen sich seit 1926 ausländische Studenten mit der italienischen Sprache und Kultur vertraut. Bevor wir das Stadtleben eintauchen, gönnen wir uns noch einen Kaffee und einen köstlichen, unendlich süßen Bombolone (italienischen Krapfen) im renommierten Caffè Sandri und beobachten das morgendliche Treiben am Corso Vannucci. Ein Blick ins Cafè-Innere lohnt sich ebenfalls: Fresken und aus Holz geschnitzte Wandschränke zeigen auf was für eine lange Tradition das Caffè Sandri zurückblicken kann.

Aber dann kann es losgehen: An der Piazza IV Novembre, dem urbanen Mittelpunkt der Stadt, warten das Rathaus und die Kathedrale auf uns. Der gotische Bau des Dom San Lorenzo bliebt unvollendet: Eine elegante Marmorverkleidung bedeckt lediglich den unteren Teil des Mauerwerks. Plötzlich steigt eine elegante ältere Dame, ganz in Rot gekleidet, die breite Treppe hinauf und verschwindet durch das mächtige Tor ins Innere des Doms, klick, den Moment musste ich mit meiner Kamera verewigen. Schräg gegenüber dann der Palazzo dei Priori: Ich finde, dass das Rathaus nicht nur aufgrund seiner großartigen Lage an der Piazza IV Novembre besonders gut zur Wirkung kommt, mich überzeugt auch die Fassade des mächtigen Baus. Ein bisschen wollten die Peruginer mit dem Bau dieses Palazzo wohl auch die Bedeutung ihrer Stadtrepublik unterstreichen. An der Nordseite prangen die Wappentiere Perugias: Ein Greif und ein Löwe, übrigens die ersten großen Bronzeskulpturen des mittelalterlichen Italiens. Auch ein Blick ins Innere des Palazzo ist lohnenswert: Der ehemalige Ratssaal, die Sala dei Notari im ersten Stock, mit ihren farbenprächtigen Fresken, kann dort besichtigt werden.

Möglicherweise Italiens schönster Brunnen...
Ein weiterer Blickfang auf dieser Piazza: die Fontana Maggiore, ein aufwendig und detailreich gestalteter Brunnen. Philosophische und theologische Motive wurden darauf verewigt, neben Alltagsszenen sind auch biblische Geschichten, Legenden, Heiligenfiguren und allegorische Darstellungen anderer Städte zu finden. Nicht weit von der Piazza IV Novembre stößt man auf einen weiteren interessanten Brunnen und der ist ein Relikt aus der Etruskerzeit: Der Pozzo Etrusco auf dem 4. oder 3. Jh. vor Chr. Und es gibt ein zweites sehenswertes Etruskermonument: Wenn man die Via Bartolo entlang geht, stößt man auf den Arco Etrusco, ein etruskisches Stadttor. Eines der wenigen etruskischen Überbleibsel in der Stadt, das nicht von den Römern zerstört wurde.

In Perugias mittelalterliche Geschichte eintauchen
Und dann laufen wir noch einmal den Corso Pietro Vannucci entlang, Richtung Giardino Carducci. Denn von dort aus kommt man in das unterirdische Quartier in der Via Bagliona unterhalb der ehemaligen Rocca Paolina. Dunkel ist es hier, in diesen mittelalterlichen Gassen, und fast ein wenig unheimlich, mit all den halbzerstörten Häusern, Turmruinen und ziemlich verfallenen Mauern. Aber gerade dieses Stadtviertel erzählt von einer der wichtigsten Epochen in der Stadtgeschichte Perugias: 1540 unterwarf der Kirchenstaat im sogenannten „Salzkrieg“ die Stadtrepublik Perugia. Deren Folge: Der damalige Papst ließ die Stadt plündern, Häuser wie Kirchen brutal zerstören auf diesem Hügel im Süden der Stadt und dort stattdessen, auch als Symbol der neu gewonnenen Macht, eine mächtige Festungsanlage errichten. Drei Jahrhunderte ertrugen die Peruginer widerwillig die verhasste römische Herrschaft, nach der Befreiung von dieser rächten sie sich nachhaltig: In nur kurzer Zeit zerstörten sie 1860 die päpstliche Festung wieder. Als man 1932 begann den Schutt auszuheben, wurde im Laufe der nächsten Jahrzehnte ein ganzes Stadtviertel freigelegt und man sieht die um 1436 erbauten Häuser der Baglioni, die Geschlechtertürme, Brunnen und Bögen.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir in der Galleria Nazionale dell`Umbria: Zu sehen sind hier Werke der toskanischen und umbrischen Malerei des 14.-16. Jahrhunderts, von Fra Angelico, Piero della Francesca, Perugino und vielen anderen bekannten Malern. Ich bin fasziniert von den Details, dem Können und der Feinheit, die diese Altarbilder und Malereien aufweisen. Besonders fasziniert bin ich von den Madonnen-Darstellungen: Reine, schöne Gesichtszüge, nicht zu alt, und das Glück in ihren Zügen zu erkennen, dass sie dieses Kind im Arm hat. Auch wenn sie oft schon zu ahnen scheint, was da noch auf den Buben zukommt – so formuliert es mein Mann, und das trifft es für mich irgendwie gut. An die 40 Räume gibt es in der Galleria zu durchqueren, nicht alle schaffen wir an diesem Nachmittag und somit steht fest, wir kommen wieder, nach Perugia, und auch in die Galleria Nazionale dell`Umbria. Und als wir das Museum verlassen, ist der Himmel dunkel geworden, es braut sich etwas zusammen. Ciao Perugia, ich möchte dich strahlend in Erinnerung behalten...

Weiter geht der Roadtrip nach Assisi und Gubbio.

Unbeauftragter, unbezahlter Blog-Beitrag.

destination

UMBRIEN (ital. Umbria) liegt in Mittelitalien zwischen der Toskana, Latium und den Marken – und ist damit die einzige Region Italiens, die weder an ein Nachbarland noch an das Meer angrenzt. Oft als das „grüne Herz Italiens“ bezeichnet, bietet diese Region aber nicht nur schöne Landschaften (fast drei Viertel Umbriens bestehen aus Hügellandschaft, der Rest wird von Gebirgen dominiert), sondern auch reichlich Kultur in zahlreichen Kleinstädten – Perugia, die Hauptstadt Umbriens, und Terni sind mit rund 160.000 bzw. 110.000 EinwohnerInnen die Ausreißer, die meisten anderen haben kaum mehr als 30.000 EinwohnerInnen.

Gut aufgehoben sind hier alle, die sich für Natur wie Kultur gleichermaßen interessieren: Unbedingt besuchen sollte man neben der Hauptstadt Perugia das bekannte Assisi und das Bergstädtchen Gubbio, auch Gualdo Tadino an der Grenze zu den Marken ist sehenswert. Wer mehr Zeit mitbringt, der sollte auch die südlich gelegeneren Städte Foligno, Montefalco, Todi, Spoleto und Terni sowie die ehemalige Papststadt Orvieto und den Geburtstort des hl. Benedikt, Norcia, besuchen. Aber nicht nur die Städte, auch die Landschaft, mit ihren berühmten sanften grünen Hügeln und den Bergen des Apennin, macht Umbriens Reiz aus: Landschaftlich besonders schön ist die Gegend rund um den Lago Trasimeno sowie den Lago di Piediluco, glücklich werden Natur-Liebhaber vermutlich auch in den Bergregionen Umbriens, z. B. den Monti Sibilini. Und wer darüber hinaus noch Zeit hat, der wird abseits der üblichen Routen so manches unbekanntes Kloster oder Städtchen entdecken…

Mein Fazit: Umbrien ist zwar mittlerweile auch gut besucht, aber noch weit unbekannter als die große Schwester Toskana. Mit 120 Kilometern von Norden nach Süden und maximal 100 Kilometern von Westen nach Osten, ist Umbrien eine übersichtliche Reiseregion – mindestens 10 Tage Zeit sollte man aber im Gepäck haben, will man sie gründlich erkunden.

gut schlafen

Noch nicht selbst ausprobiert, aber diese Häuser wären eventuell meine Wahl bei der nächsten Umbrien-Reise:

Lago Trasimeno

I Capricci di Merion Resort & Spa: Jugendstil-Villa mit Pool und wunderschöner Gartenanlage in Tuoro sul Trasimeno.

Perugia

Superzentral gelegen in einem historischen Gebäude: Locanda Della Posta Boutique Hotel (Corso Pietro Vannucci, 97, 06121 Perugia)

Assisi

Hotel Il Palazzo: Schickes Boutiquehotel in historischen Gemäuern nahe der Basilica San Francesco

Asisium Boutique Hotel: Ein schönes altes Haus geschmackvoll saniert und umgebaut, im Herbst 2020 eröffnet, zentral gelegen (Corso Giuseppe Mazzini, 35, 06081 Assisi)

Borgo Castello Panicaglia: Traumhaft schönes, zu einem Boutique Hotel umgebautes, historisches Castello, mit Pool und fabelhafter Gartenanlage - in Nocera Umbra, rund 45 Autominuten östlich von Perugia gelegen.

Lesetipp

Für alle Kultur-Interessierten der richtige Begleiter:
"Umbrien. Städte, Kirchen und Klöster im grünen Herzen Italiens: Assisi, Perugia, Orvieto, Gubbio, Todi"
Dumont Kunst-Reiseführer (Klaus Zimmermanns)