• Ciao Umbrien! (II)
    Rundreise im grünen Herz Italiens

Juli 2009

Umbrien, das grüne Herz Italiens – und kulturelle Schatzkammer, dank unzähliger wunderschöner Kleinstädte.
Vom Lago Trasimeno ging es nach Perugia (Teil 1 der Reportage), jetzt lassen wir die lebendige Universitätsstadt hinter uns und peilen Assisi an den Ausläufern des Monte Subasio an. Und dann die letzte Station unserer kleinen Umbrien-Rundreise: Gubbio…

Assisi leuchtete uns schon von weitem entgegen: Beleuchtet lag es da oben in der dunkelblauen Nacht, auf dem Hügel hingestreckt, während wir unsere Nasen an die Fenster des Überlandbusses drückten. Foto gibt es keines von dem nächtlich schimmernden Assisi, aber irgendwie hat sich dieser Moment ohnehin in mein Gedächtnis eingebrannt. Wir waren 17 und es war unsere erste Reise, die wir ohne Eltern unternahmen, und sie führte uns nach einem Tag in Verona direkt nach Assisi. Oben angekommen spuckte der Bus meine Freundin und mich aus in die dunkle Nacht und wir standen erst mal ein wenig ratlos da, ohne Google Maps & co, denn Smart Phones gab es damals noch lange nicht. Aber schließlich fanden wir was wir suchten, unser kleines Hotel inmitten des Gassengewirrs von Assisi, nahe der Stadtmauer… Fast 20 Jahre später bin ich wieder da, mit meinem Mann, an einem heißen Juli-Tag, genau genommen an einem fast unerträglich heißen Juli-Tag. Die gleiche Landstraße wie damals fahren wir nun entlang und plötzlich schiebt sich Assisi in mein Blickfeld. Schau, sage ich ein wenig aufgeregt, da ist es, am Hügel, siehst du es? Mein Mann muss schmunzeln. Ich kann sehen, dass du lachst, und ich erzähle jetzt auch nicht, wie wir damals in der Nacht hier angekommen sind, sage ich, aber ich habe mich damals irgendwie in diesen Ort verliebt und jetzt habe ich noch mal ein Rendezvous mit ihm. Das ist irgendwie aufregend…

Und wie es so ist mit alten Lieben, man erinnert sich, dunkel, dann ein wenig mehr, schau, dort um`s Eck haben wir damals gewohnt, und ein wenig vermischen sich jetzt Vergangenheit und Gegenwart. Damals, das war vor dem großen Erdbeben am 26. September 1997, bei dem hunderte Häuser einstürzten und auch das Gewölbe der Oberkirche der Basilica San Francesco, was entsetzlicher Weise auch vier Menschen das Leben kostete. Und so habe ich damals in der Grablegungskirche des heiligen Franziskus von Assisi auch noch den berühmten Freskenzyklus von Giotto (Giotto di Bondone) gesehen, zur Gänze intakt, bevor dieser vom Beben 1997 zerstört wurde. 200 Jahre lang waren hier zu Ehren des hl. Franziskus ein paar der bedeutendsten italienischen Künstler tätig, wie etwa Cimabue, Giotto, Simone Martini, Pietro Lorenzetti: Was man hier zu sehen bekommt, ist fast ein wenig ein Museum der bildenden Kunst, mit bedeutenden Malereien des Spätmittelalters. Bis das große Beben kam... Heute sind rund drei Viertel der zerstörten Fresken restauriert, in unendlicher mühsamer Kleinarbeit, wie ich in einer TV-Dokumentation gesehen habe.

1181 oder 1182, ganz genau weiß man es nicht, wurde Franz von Assisi geboren, wie der Name sagt in Assisi, und hinein in eine wohlhabende Familie. Was folgte war eine mehr als spannende Lebensgeschichte: Schließlich gründete er den Franziskaner-Orden und war Mitbegründer der Klarissinnen – auch die hl. Klara stammt übrigens aus Assisi und verließ, inspiriert von Franz von Assisi, ihre wohlhabende, adelige Familie, um in Armut zu leben und ihr Leben dem Glauben zu widmen. "Seine" Basilica zu sehen, ist für Kunstinteressierte wohl ein Muss: Die Doppelkirche, die aus einer Chiesa Inferiore und einer Chiesa Superiore, also quasi aus zwei übereinander gebauten Kirchen besteht, wurde über dem Grab von Franz von Assisi erbaut, kurz nach seiner Heiligsprechung. Die Basilika betritt man übrigens über einen Seiteneingang der Unterkirche. Von dort geht es dann seitlich vom Altar hinauf in die Oberkirche, auch diese betritt man über einen Seiteneingang. Und dann staunt man erst mal. Da muss man eigentlich nicht einmal ein besonderer Kunstfreund oder besonders gläubig sein, allein die Atmosphäre in der Basilika lässt einen ahnen, dass dies ein ganz besonderer Ort ist. Und natürlich tun die wirklich beeindrucken Fresken in den Gewölben ihr übriges dazu. In der Krypta der Basilika befinden sich die sterblichen Überreste des Heiligen, der auch als Schutzpatron der Tiere gilt. Ein interessantes Detail am Rande: Aus Angst vor Grabräubern hatte man seine Gebeine so gut versteckt, dass man komplett darauf vergaß. Erst im 19. Jahrhundert entdeckte man sie wieder.

Bei meinem ersten Aufenthalt in Assisi hatten wir hier einige Tage verbracht und damit genug Zeit, sowohl die Rocca Minore als auch die Rocca Maggiore zu erklimmen – von beiden hat man eine wunderschöne Aussicht auf Assisi, das malerisch an den Ausläufern des Monte Subasio liegt, und auf das Umland. Diesen Aufstieg können wir uns dieses Mal also sparen und so wandern wir von einer Kirche zur nächsten, was auch der angenehmen Kühle in den Gotteshäusern geschuldet ist. Lohnenswert ist ein Besuch des Doms San Ruffino, ca. 1140 errichtet und damit älter als die Basilica San Francesco und ein gutes Beispiel für die Romanik Umbriens. Im rechten Seitenschiff findet man das Taufbecken, in dem Franziskus, die heilige Klara sowie Kaiser Friedrich II. getauft wurden. Nicht weit entfernt von hier liegt die Chiesa Santa Chiara, die Kirche der Klarissinnen, ca. 1260 erbaut und mit schönen Fresken aus dem 13. und 14. Jahrhundert geschmückt. Ein antikes Bauwerk hat die Stadt übrigens auch zu bieten: Der Minervatempel aus dem 1. Jahrhundert vor Christi, an der Piazza del Comune, der schon Goethe bei seinem Assisi-Besuch fasziniert haben soll.

Aber dann lassen wir uns einfach durch die Stadt treiben: Gerade gegen Abend hin, wenn die Sonne die alten Häuser aus Kalkstein leicht rötlich färbt, ist die Stadt am schönsten. Treppauf, treppab laufen wir hier, kaum eine Straße in Assisi ist eben, und irgendwie ist die Stadt ein kleines Gesamtkunstwerk: Mittelalter wohin man blickt, rote Ziegeldächer, Steinfassaden, die leicht rosarot leuchten, Gassen mit Treppen, die ordentlich in die Beine gehen, die Kirchen mit wunderschön feinziselierten Fensterrosen. Und zwischendurch kann man immer wieder in verborgene kleine Gärten hineinlugen… Am frühen Abend haben wir ordentlich Kilometer in den Beinen und suchen uns einen Platz in einem Cafè auf der Piazza del Comune, die irgendwie auch der Salon der Stadt ist, Treffpunkt für Einheimische wie Reisende. Am schönsten ist es hier frühmorgens, kann ich mich erinnern, als 17-jährige bin ich mit staunenden Augen über den Platz gelaufen, an dem auch der Palazzo del Capitano (das heutige Rathaus) und der Palazzo dei Priori beeindrucken. Aber jetzt strecken wir die Beine unter dem Cafè-Tischchen aus und beobachten das Treiben rund um uns. Und wenn wir uns danach noch aufraffen können, dann schauen wir uns vielleicht noch die franziskanische Wallfahrtskirche Santa Maria degli Angeli, die in der Ebene unterhalb von Assisi liegt, an. Vielleicht...

Als wir Assisi dann verlassen, liegt es in meinem Rückspiegel schon wieder in einem ganz besonderen Licht am Hügel da oben. Was für ein Abendlicht, und oh je, schon wieder kein Foto davon gemacht. Wobei: die schönsten Erinnerungen hat man sowieso im Kopf...

Die kleine Bergstadt Gubbio, nördlich von Assisi und rund 35 Kilometer nordöstlich von Perugia gelegen, ist unser nächstes Ziel. Die 30.000-Einwohner-Kleinstadt schmiegt sich an die Hänge des Monte Ingino im Appenin – und wir erspähen schon von der Unterstadt aus den Palazzo dei Consoli (in dem sich das Museo Civico befindet), das auffälligste Gebäude in Gubbio. Er thront da oben, aber anfangs realisieren wir noch gar nicht, in was für einer extremen Hanglage er erbaut wurde. Das wird uns erst bewusst, als wir die Piazza Grande erklommen haben, denn da ragt er steil vor uns auf, aus hellem Kalkstein errichtet und den gesamten Platz dominierend. Die Piazza ist wie leergefegt, sie scheint gerade nur uns zu gehören, ab und zu huscht jemand an den Häuserfronten entlang. Vor dem Palazzo dei Priori (Rathaus) wirbelt ein junger Mann mit seinem Skateboard beeindruckend durch die Luft. Nur schade, dass es auf der menschenleeren Piazza kein Publikum für ihn gibt.

Alles ist geschlossen, aber das ist nur logisch, schließlich sind wir ausgerechnet zu Mittag hier angekommen. Längst sitzen alle zu Hause vor dampfenden Pasta-Tellern oder halten eine verdiente Siesta. Also was tun? Auf zum gotischen Dom Santi Mariano e Jacopo, der noch höher liegt als die Piazza Grande. Ein kurzer, aber steiler Aufstieg steht uns bevor und wir haben Glück, oben angekommen stellen wir fest, dass der Dom geöffnet ist. Außen präsentiert sich der vermutlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtete Dom sehr schlicht, innen überrascht er mit schönen Altargemälden, wie der farbintensiven „Anbetung der Hirten“. Schön ist auch das Chorgestühl mit kunstvollen Intarsien. Sehenswert soll auch das angeschlossene kleine Dom-Museum sein, aber dieses ist über Mittag ebenfalls geschlossen.

Also werfen wir noch einen Blick in den Innenhof des gegenüber befindlichen Herzogspalastes (Palazzo Ducale): Ein Renaissance-Innenhof vom feinsten ist da zu sehen. Wer noch höher hinaus will, der kann auch noch zur Basilika Sant`Ubaldo oberhalb der Stadt hinaufwandern; wer es bequemer mag, der kann auch die Seilbahn nehmen, die von der Porta Romana aus zugänglich ist.

Also schlendern wir zurück Richtung Piazza Grande (auch als Piazza della Signoria bekannt), dieses Mal nehmen wir die Via Galeotti, die besonders malerisch ist. Fast fühlen wir uns in Gubbio wie in einem Museum, in den stillen, mittelalterlich geprägten Gassen. Aber das ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass wir gerade die einzigen zu sein scheinen, die an diesem schwülen Julitag in den Gassen unterwegs sind.

Und dann ist es so weit: Der Palazzo dei Consoli öffnet seine Pforten. Über eine beeindruckende Freitreppe geht es in das Innere des zwischen 1332 und 1337 erbauten Palazzo, der im Untergeschoss aus einem einzigen, großen Raum besteht – dem Ratssaal, in dem Ratsversammlungen und Volksanhörungen stattfanden. Heute befindet sich hier das das Museo Civico, im Geschoss darüber die Pinacoteca Comunale. Sehenswert ist auch die Palastkapelle, in der die berühmten Eugubinischen Tafeln aus dem 2. Jahrhundert vor Christi ausgestellt sind: Sieben Bronzetafeln mit religiösen Inhalten, die mit etruskischen und lateinischen Buchstaben beschriftet sind. Entziffern können wir es kaum, beeindruckt sind wir trotzdem. Wie wir auch vom Ausblick der Loggia auf die Stadt und das Umland beeindruckt sind: Was für ein Panorama…

Als einer der bedeutendsten mittelalterlichen Kommunalpaläste wird der Palazzo dei Consolo oft bezeichnet, und ja, nachvollziehbar finden wir das mittlerweile. Eine außerordentliche städtebauliche Leistung ist auch die Piazza selbst, die künstlich angelegt wurde: Diesen großen Platz an dem steil anfallenden Hang zu errichten muss eine unglaubliche planerische Herausforderung gewesen sein. Aber es ist gelungen, ganz offensichtlich. Und so ruht sie bis heute auf mächtigen, gemauerten Bögen, muss sie doch auch den Palazzo dei Consoli sowie den am anderen Platzende liegenden Palazzo dei Priori (Palazzo Pretorio), der das Rathaus beherbergt und übrigens nicht vollendet wurde, tragen. Was für eine unglaubliche Ingenieursleistung im Mittelalter...

Noch einmal lassen wir unseren Blick über den beeindruckenden Platz schweifen, im Ranking der Piazze italiane liegt er zweifelsohne ganz oben. Nun geht es wieder hinunter, durch pittoreske Gassen, die wohl auch vor Jahrhunderten nicht viel anders ausgesehen haben: Denn seit dem 15. Jahrhundert hat sich in Gubbio grosso modo wenig verändert, dazu beigetragen hat auch das harte Kalkgestein, aus die Häuser errichtet wurden. Unterwegs fällt mir eine Frau auf, die ihren Kopf auf dem Fenster streckt und beobachtet, was sich in ihrer Straße tut. Vielleicht ist dieses Fenster auch ein Logenplatz, wenn am 15. Mai das berühmte Fest „Corsa dei Ceri“ stattfindet. Denn alljährlich jagen die „Verrückten von Gubbio“ (i matti di Gubbio) in hohem Tempo den Berg hinauf, zur Basilika Sant`Ubaldo, und dabei schultern sie ein rund 400 Kilogramm schweres Holzgerüst, über dem eine Heiligenfigur thront. Insgesamt sind drei solcher „Ceri“ unterwegs, und weil dies natürlich unglaublich anstrengend ist, werden die Träger unter den Stangen permanent ausgewechselt – ganze Gruppen von Ersatzleuten laufen ständig neben den „Ceri“ her. Was für ein Spektakel das sein muss…
Und dann erwischt uns nicht zum ersten Mal in diesen Tagen ein mächtiger Wolkenbruch, schnell retten wir uns zur Loggia dei Tiratori dell`Arte della Lana (1326 erbaut und ursprünglich als Hospital konzipiert). Nicht der schlechteste Platz, um darauf zu warten, dass der nasse Gruß von oben ein Ende findet…

Apropos, wer sich jetzt ein bisschen in Umbrien verliebt hat und noch mehr sehen will, der sollte sich auch den südlicheren Teil der Region ansehen: Spoleto, Montefalco, Todi, Orvieto und vieles mehr – zu dieser Reportage geht es hier.

Unbeauftragter, unbezahlter Blog-Beitrag.

destination

UMBRIEN (ital. Umbria) liegt in Mittelitalien zwischen der Toskana, Latium und den Marken – und ist damit die einzige Region Italiens, die weder an ein Nachbarland noch an das Meer angrenzt. Oft als das „grüne Herz Italiens“ bezeichnet, bietet diese Region aber nicht nur schöne Landschaften (fast drei Viertel Umbriens bestehen aus Hügellandschaft, der Rest wird von Gebirgen dominiert), sondern auch reichlich Kultur in zahlreichen Kleinstädten – Perugia, die Hauptstadt Umbriens, und Terni sind mit rund 160.000 bzw. 110.000 EinwohnerInnen die Ausreißer, die meisten anderen haben kaum mehr als 30.000 EinwohnerInnen.

Gut aufgehoben sind hier alle, die sich für Natur wie Kultur gleichermaßen interessieren: Unbedingt besuchen sollte man neben der Hauptstadt Perugia das bekannte Assisi und das Bergstädtchen Gubbio, auch Gualdo Tadino an der Grenze zu den Marken ist sehenswert. Wer mehr Zeit mitbringt, der sollte auch die südlich gelegeneren Städte Foligno, Montefalco, Todi, Spoleto und Terni sowie die ehemalige Papststadt Orvieto und den Geburtstort des hl. Benedikt, Norcia, besuchen. Aber nicht nur die Städte, auch die Landschaft, mit ihren berühmten sanften grünen Hügeln und den Bergen des Apennin, macht Umbriens Reiz aus: Landschaftlich besonders schön ist die Gegend rund um den Lago Trasimeno sowie den Lago di Piediluco, glücklich werden Natur-Liebhaber vermutlich auch in den Bergregionen Umbriens, z. B. den Monti Sibilini. Und wer darüber hinaus noch Zeit hat, der wird abseits der üblichen Routen so manches unbekanntes Kloster oder Städtchen entdecken…

Mein Fazit: Umbrien ist zwar mittlerweile auch gut besucht, aber noch weit unbekannter als die große Schwester Toskana. Mit 120 Kilometern von Norden nach Süden und maximal 100 Kilometern von Westen nach Osten, ist Umbrien eine übersichtliche Reiseregion – mindestens 10 Tage Zeit sollte man aber im Gepäck haben, will man sie gründlich erkunden.

gut schlafen

Noch nicht selbst ausprobiert, aber diese Häuser wären eventuell meine Wahl bei der nächsten Umbrien-Reise:

Lago Trasimeno

I Capricci di Merion Resort & Spa: Jugendstil-Villa mit Pool und wunderschöner Gartenanlage in Tuoro sul Trasimeno.

Perugia

Superzentral gelegen in einem historischen Gebäude: Locanda Della Posta Boutique Hotel (Corso Pietro Vannucci, 97, 06121 Perugia)

Assisi

Hotel Il Palazzo: Schickes Boutiquehotel in historischen Gemäuern nahe der Basilica San Francesco

Asisium Boutique Hotel: Ein schönes altes Haus geschmackvoll saniert und umgebaut, im Herbst 2020 eröffnet, zentral gelegen (Corso Giuseppe Mazzini, 35, 06081 Assisi)

Borgo Castello Panicaglia: Traumhaft schönes, zu einem Boutique Hotel umgebautes, historisches Castello, mit Pool und fabelhafter Gartenanlage - in Nocera Umbra, rund 45 Autominuten östlich von Perugia gelegen.