• Ein Roadtrip durch die Maremma... (Teil I)
    Von Domen, Etruskergräbern und Stränden...

Zuletzt 2015

Nachdem wir jahrelang die "klassische" Toskana rund um Florenz, Siena, Arezzo, Lucca, Pisa, Pistoia & Co sowie das Chianti-Gebiet, die Crete Senesi und noch mehr abgegrast haben, ist es Zeit sich ein bisschen weiter hinunter in die südliche Toskana, in die Maremma, zu wagen. Massa Marittima, Grossetto, die Küste rund um Castiglione della Pescaia stehen auf unserer Reiseroute – und dann die weiter süd-östlich gelegenen Tuffsteinstädtchen Pitigliano, Sorano und Sovana. Und ein bisschen etwas dazwischen...

Ah, ihr fahrt in die Maremma, fragen uns Freund:innen. Ja – und nein! Denn auch wenn heute vielfach die südliche Toskana und Teile des nördichen Latiums unter "Maremma" firmieren, so ist damit streng genommen eigentlich nur der flache Küstenstreifen gemeint, der sich zwischen dem Golf von Follonica sowie der Lagune von Orbetello am Monte Argentario erstreckt, ursprünglich eine Sumpflandschaft, mit dem Tyrrhenischen Meer verbunden. Das Hinterland, in dem es viel zu entdecken gibt und das wir schwerpunktmäßig anpeilen, ist damit eigentlich nicht gemeint. Aber egal, wir fahren jetzt einfach mal in die "Maremma". Von der berühmt-berüchtigten Sumpflandschaft, die einst für die Verbreitung von Malaria in dieser Region sorgte, merkt man heute nichts mehr, längst dominieren hier Landwirtschaft, Weinbau und Tourismus. Und wunderschöne Sonnenblumenfelder, so weit das  Auge reicht. Schon nach kurzer Zeit stellen wir  fest, dass uns auch diese Region Italiens richtig begeistert, bietet doch auch sie soviel Vielfalt: Lange, schöne Sandstrände, hübsche kleine Orte im grünen Hinterland und pittoreske, entspannte Kleinstädte mit beeindruckenden kulturhistorischen Highlights. Eine gute Entscheidung also, sich in den Süden der Toskana vorzuwagen und dafür auch genügend Zeit eingeplant zu haben.

Unsere Zelte schlagen wir übrigens vorerst in einem hübschen Stein-Ferienhaus im Hinterland des Küstenortes Castiglione della Pescaia auf: Mit Garten, Pool und gefühlt Millionen von Sonnenblumen drum herum. Eine perfekte Homebase, um von hier aus in alle Richtungen auszuschwärmen – ans Meer wie ins Hinterland gleichermaßen. Und das tun wir auch gleich mal und zwar ins rund 30 Autominuten entfernte Grossetto, mit rund 70.000 Einwohner:innen die größte Stadt in der Maremma. Die Außenbezirke besitzen, wie in so vielen italienischen Städten, wenig Charme, aber unser Ziel ist ohnhin die Altstadt innerhalb der wuchtigen Festungsmauern. Apropos Stadtmauer: diese wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, den Auftrag dazu hatten die berühmten Medici erteilt. Und es gibt eine Analogie zur nördlichen Toskana: Wie Lucca wird auch in Grossetto die Altstadt von Mauern in Form eines Sechsecks umschlossen. Der Beiname "Piccola Lucca" kommt also nicht von ungefähr.

Die Altstadt entpuppt sich als ausgesprochen hübsch, auch wenn hier die ganz großen Leuchtturm-Sehenswürdigkeiten fehlen: Repräsentative Stadtpaläste oder besonders herrschaftliche Bauwerke in großer Zahl, wie man sie aus italienischen Städten kennt, sucht man hier vergebens. Und das ist gar nicht mal so schlecht, denn damit ist Grossetto auch kein klassisches Touristenziel und schon gar nicht eines, durch das busweise die Tagestouristen gezerrt werden. Hier kann man also ohne von Menschenmassen umgeben ganz relaxed dahin flanieren, durch hübsche Altstadtgassen, die schön saniert wurden. Wir landen jedenfalls gleich mal vor dem Dom San Lorenzo – der übrigens in der Abendsonne ganz besonders beeindruckend aussieht, wie wir bei einem weiteren Besuch Jahre später feststellen.

1300 im Stil der Gothik errichtet (und zwar vom Sieneser Architekten Sozzo di Rustichini), wurde er danach mehrmals umgestaltet. Davon zeugt z. B. die neoromanische Hauptfassade. Schön ist er jedenfalls, finde ich, denn ich mag das reiche Dekor des Portals und ganz besonders die gestreifte Fassade aus rotem und weißem Marmor. Und muss dabei gleich an den gotischen Dom von Siena denken, der auch so schön gestreift ist. Und ja, ich mag halt Streifen und auch den Dom von Siena liebe ich ganz besonders. Dass Siena hier tatsächlich einen gewissen Einfluss hatte, das sieht man an der Südseite des Doms erkennen: Hier prangt nämlich das schwarz-weiße Wappen Sienas. Hinein schauen sollte man auf jeden Fall auch: Sehenswert sind das große Taufbecken sowie ein Altarbild von Matteo di Giovanni. Und den Hl. Lorenzo, der der Schutzheilige der Stadt ist, entdeckt man gleich links vom Hauptaltar. Recht grausam ist er übrigens zu Tode gekommen: Er wurde auf einem eisernen Rost unter der Herrschaft der Römer verbrannt worden und starb so seinen Märtyrertod.

2001 wurde der schönste Platz der Stadt gründlich restauriert – nicht umsonst ist die Piazza Dante Alighieri ein beliebter Treffpunkt für die Grossetaner:innen. Hier steht auch eines der beeindruckendsten Bauwerke der Stadt: Der Palazzo degli Aldobrandeschi, im Mittelalter errichtet, bis heute mächtig und den Platz dominierend. Einst war er im Besitz des Adelsgeschlechts der Aldobrandeschi, die übrigens zu den ältesten urkundlich nachweisbaren italienischen Adelsgeschlechtern gehören – heute residiert darin die Provinzregierung. Die Marmorstatue auf der Piazza stellt übrigens Leopold II dar – und auch hier spielen die Sümpfe und die Malaria eine Rolle. Denn Leopold II ist als alter Römer gekleidet und hält eine sterbende Frau mit einem toten Kind im Arm – was die sterbende Maremma symbolisieren soll. Sterbend deswegen, weil auch hier die Malaria einst wütete. Mit dem Fuss zertritt Leopold II. eine Schlange, die für die Malaria steht, welche diese Region über Jahrhunderte dominierte. Ein bisschen läuft es einem dabei kalt über den Rücken, vor allem wenn man sich vorstellt, dass in der heutigen 70.000-Einwohner:innen-Stadt um 1750 nicht mehr als 700 Menschen gelebt hatten – natürlich aufgrund der malariaverseuchten Umgebung, die weder Wirtschafts- noch Bevölkerungswachstum zuließ.

Einen Besuch wert ist auch die Kirche San Francesco an der Piazza Indipendanza: Außen ein ziemlich schlichter Backsteinbau, überrrascht die Kirche dann im Inneren mit Freskenresten aus dem 14. Jahrhundert und ein berühmtes Tafelbild mit dem Kruzifix von Duccio di Boninsegna, das auf Ende des 13. Jahrhunderts zurückgeht. Nicht besucht haben wir das Museo Archeologico e d`Arte della Maremma, das in Sachen Archäologie und Kunstgeschichte bedeutendste Museum der Maremma – denn es war schlichtweg zu nett, einfach durch die Altstadt Grossettos zu schlendern, in der es auch zahlreiche nette kleine Läden gibt. Aber vielleicht holen wir den Museumsbesuch nach, falls wir auch noch ein drittes Mal in die Stadt kommen...

Nächster Stopp: Massa Marittima
Erhaben liegt das mittelalterliche 8000-Einwohner:innen-Städtchen auf einem Hügel in fast 400 Metern Höhe und scheint von dort oben geradezu über die Ebene der Maremma zu wachen. Wir schnuppern also ein bisschen Höhenluft – und das in der Città Vecchia, die ab dem 11. Jahrhundert rund um den Dom entstanden ist. Einst war Massa Marittima Zentrum des Erzbergbaus in der Toskana, seit Mitte der 90er Jahre war es damit allerdings endgültig vorbei, damals wurde die letzte Erzmine der Stadt geschlossen. Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist damit weggebrochen, dafür hielt der Tourismus Einzug, wenn auch – aus meiner Sicht – glücklicherweise nur in gemäßigter Form.
Wir landen direkt im Zentrum der Città Vecchia, auf der Piazza Garibaldi. Auf den sonnenwarmen Stufen des Doms sitzen wir dann und lassen den Blick entlang der Piazza wandern: Beeindruckend der massive aus Travertin erbaute romanische Palazzo Pretorio, aber auch der Palazzo Communale, der – Siena lässt einmal mehr grüßen – von Sienesen erbaut wurde. Fast unscheinbar dagegen weiter unten an der Piazza der zierlichere Palazzo del Podestà.

Von Massa Marittima machen wir einen Abstecher nach Vetulonia, ein kleines Örtchen, wie so viele in dieser Gegend malerisch auf einem Hügel gelegen, im Hinterland zwischen Follonica und Grossetto. Einst an Bodenschätzen sehr reich, war Vetulonia im 6. Jahrhundert vor Chr. eine bedeutende etruskische Stadt, bekannt auch für seine Goldschmiedekunst. Völlig zerstört wurde die Stadt im 10. Jahrhundert durch die Sarazenen. Aber die Bewohner:innen gaben nicht auf und errichteten auf den Trümmern der Stadt das heutige Bergdorf. Jahrhunderte später, Ende des 19. Jahrhunderts, wurde im Rahmen von Forschungsarbeiten eines italienischen Archäologen die ehemalige etruskische Siedlung entdecktl. Vieles dürfte in den ersten Jahren nach dieser Entdeckung verschwunden und in den Besitz zweifelhafter Sammler geraten sein. Dennoch ist im Museum am Ortseingang einiges rund um Funde aus etruskischer, römischer und hellenistischer Zeit ausgestellt. Was uns aber besonders interessiert sind die etruskischen Gräber, die bei den Ausgrabungen ebenfalls gefunden worden waren. Beeindruckende 1000 Gräber aus dem 8. bis 2. Jahrhundert vor Christi soll es in Vetulonia einst gegeben haben, nördlich des Ortes findet man eine solche Grabungsstätte. Charakteristisch für Vetulonia sind Steinkreisgräber, zwei davon sind besonders beeindruckend weil sehr monumental: Tumulo della Pietrea und Tumulo del Diavolino  (Teufelchen) II. Sie sollen zu den größteen Kuppelgräbern sämtlicher etruskischer Nekropolen gehören. Und wer sich wundert, dass hier nicht vom Kuppelgrab Diavolino I die Rede ist: Dieses wurde originalgetreu im Archäologischen Museum in Florenz wiederaufgebaut.

Strandleben in der Maremma
Wem nach all der Kultur der Sinn nach einem Tag am Meer steht, der ist am schönen Strand Le Rocchette, südlich der bekannten Landzunge Punta Ala und ca. 7 Kilometer nördlich von Castiglione della Pescaia gelegen, gut aufgehoben. Zugänglich ist er durch einen Pinienwald erreichbar (von der Strada delle Collacchie (N 322) anzufahren), neben klassischen italienischen Strandbädern gibt es hier auch schöne, freie Zugänge zum Meer. Seinen Namen verdankt der Strand übrigens dem gleichnamigen Schloss aus dem 12. Jahrhundert, das man heute noch vom Strand aus gut erkennen kann.

Hier geht es weiter zu Teil 2 der Maremma-Reportage und zu den Tuffsteinstädtchen Sorano und Sovana.

Unbeauftragter und unbezahlter Blog-Beitrag, entstanden nach einer selbst finanzierten Reise.

gut schlafen

Auf unserer Reise durch die Maremma haben wir immer in Ferienhäusern gewohnt, die große Empfehlung war allerdings nicht dabei.

Für eine weitere Maremma-Reise hätte ich aber in Sachen Hotel, Agriturismo oder B&B schon so manche Wunsch-Destination:

Ein Boutique-Hotel mit private beach in Castiglione della Pescaia: Das Aqua Boutique Hotel wäre dafür eine gute Adresse.

Das Casale Sterpeti wäre genau nach meinem Geschmack: Reduzierte, moderne und geschmackvolle Zimmer, ein schöner Garten (allerdings ohne Pool) mit viel Weitsicht. Und das sehr gut gelegen, so in etwa in der Mitte zwischen Grossetto und dem Monte Argentario.

Ebenfalls ganz nach meinem Geschmack: Die Tenuta del Fontino, ein wie es scheint sehr schönes Agriturismo nahe Massa Marittima. Ein Gutshof mit Weinanbau, auf dem Biodynamischer Anbau groß geschrieben wird. Einen Pool gibt´s hier übrigens auch...

Altes mit Neuem geschmackvoll kombiniert, Pool und viel Weitsicht: Auch im Marrucheti 82 nahe Grossetto würde mein Reiseherz wohl höher schlagen.

Was für ein Blick auf`s Meer: Das Luxury Hotel Il Pellicano in Porto Ercole an den Hängen des Monte Argentario würde mich vermutlich rundum glücklich machen.

Wenn auf die Insel Giglio, dann gerne hier, im stylischen La Guardia Hotel: Eine Unterkunft für ein paar Tage auf der Insel vor dem Monte Argentario wäre hiermit bereits gefunden.

Wer Geschichte spüren will, auch ganz hautnah im Hotel, für den ist das San Biagio Hotel in einem alten Palazzo in Orbetello am Monte Argentario vermutlich genau das richtige. Mir würde es jedenfalls gefallen.