• Ein Roadtrip durch die Maremma... (Teil II)
    Von Tuffstein-Städten und heißen Quellen

Zuletzt 2015

Nach Stopps in Grossetto, Massa Marittima und Vetulonia sowie an den Stränden
südlich von Punta Ala (Teil 1 der Maremma-Reportage), geht es nun weiter ins Landesinnere der südlichen Maremma: Die Tuffsteinstädtchen Sorano, Sovana und Pitigliano als auch die heißen Quellen von Saturnia stehen am Programm. Und auch das eine oder andere kleine sehenswerte Bergdorf liegt dabei auf unserer Route...

In einem Ferienhaus nahe Manciano haben wir nun unser Quartier aufgeschlagen, von hier aus sind die Tuffsteinstädtchen Sorano, Sovana und Pitigliano besonders bequem erreichbar. Sie alle sind die Hauptdarsteller in den grünen Hügeln, die sich von den Ausläufern des Monte Amiata bis hin zur Küste der Maremma erstrecken. Auch die berühmte Quelle von Saturnia ist eine Attraktion, die neben Einheimischen auch immer mehr ausländische Besucher:innen anzieht. Tiefe Schluchten, schroffe Felsplateaus, auf denen teilweise mittelalterliche Städtchen aus Tuffstein gebaut sind – wer hier mit dem Auto unterwegs ist, erlebt eine sehr abwechslungsreiche und reizvolle Landschaft.

Unser erster Stopp gilt Sorano: Von all den Tuffsteinstädtchen, die da auf den Hügeln der südlichen Maremma liegen, ist Sorano das am höchsten gelegene. Fast ein wenig abweisend thront es auf dem Plateau, was auch der mächtigen Burg der Orsini, die im Süden des Städtchens liegt, und dem nördlichen gelegenen Masso Leopoldino, einer imposanten, befestigten Tuffsteinblock-Festung, geschuldet sein mag. Aber wir lassen uns nicht abschrecken und beginnen unseren Rundgang an dem Eingangstor der Stadt, der Porta Ferrini an der Via Giovanni Selvi. Wir schlendern weiter zur Kirche Collegiata di San Niccolò, die 1276 erstmals erwähnt wurde. Dann fühlt es sich ziemlich mittelalterlich an: Vorbei an der fast einschüchternd wirkenden Befestigungsanlage Masso Leopoldino geht es zur antiken Porta dei Merli. Wer einen schönen Ausblick über die Stadt sucht, der findet ihn jedenfalls auf der Aussichtsplattform des Masso Leopoldino, der seinen Namen Leopold II., Großherzog der Toskana und Erzherzog von Österreich, verdankt: Von diesem Tuffblock, der ziemlich beeindruckend aus dem Häusermeer des Städtchens herausragt, hat man einen großartigen Blick über die Dächer Soranos bis hinüber zur Rocca Orsini, der zweiten mächtigen Festungsanlage Soranos. An den gegenüber liegenden Enden des bewohnten Stadtkerns liegend, bildeten die beiden Festungen damals zusammen das Verteidigungssystem der Stadt.

Die Rocca Orsini galt damals übrigens als unbezwingbar: Oft wurde sie belagert, aber nie eingenommen und das verschaffte ihr den Ruf der am besten befestigten Burg des Adelsgeschlechts der Orsini in der gesamten Region. Heute findet man in einem der nördlich gelegenen Gebäudetrakte, in den ehemaligen Privatgemächern, ein Mittelaltermuseum (Museo del Medioevo e del Rinascimento), das auch Führungen durch ein regelrechtes Labyrinth an unterirdischen Gängen und Tunneln unter der Burg anbietet. Der älteste Teil des Gebäudes stammt übrigens aus Etruskerzeiten und liegt 15 Meter unter dem Erdboden.

Ebenfalls in der Burg befindet sich heute auch ein Hotel: Das Hotel della Fortezza bietet naturgemäß eine sensationelle Aussicht und, wie ein Blick auf die Hotel-Website zeigt, hübsche, individuell und originell eingerichtete Zimmer.

Die kleine Tuffsteinstadt Sovana, die ca. 15 Autominuten von Sorano entfernt und zwischen den Felsenschluchten der Flüsse Folonia und Calesina liegt, ist ebenfalls einen Besuch wert: Sie ist malerisch mit ihren kleinen, mittelalterlichen Gässchen. Vor allem aber zieht es uns hierher, weil wir zwei Kirchen sehen wollen, die aus dem 11. bzw. 13. Jahrhundert stammen und besonders sehenswert sein sollen. Aber auch ein Spaziergang durch die kleinen Gässchen Sovanas, in denen braunroter Tuffstein dominiert, lohnt sich. Hübsch auch die Piazza del Pretorio, an der sich die Kirche Santa Maria, der mit Wappen geschmückte Palazzo Pretorio und der Palazzetto dell`Archivio befinden. Besonders schön, dass das mittelalterliche Stadtbild rund um die Piazza del Pretorio über die Jahrhunderte zur Gänze erhalten geblieben ist. Auffällig auch der Boden, mit gepflasterten Backsteinen im Fischgrätmuster: Teilweise ist er original erhalten, zum Teil restauriert.

Ähnlich wie in Sorano beherrschen auch hier zwei mächtige Gebäude den Ort: Im Osten von Sovana die Rocca Aldobrandeschi, eine mächtige Burgruine, die allerdings nicht zugänglich ist (einst war Sovana Hauptsitz der Adelsfamilie der Aldobrandeschi, die große Teile der Südtoskana und auch Teile des nördlichen Latiums innehatten), im Westen des Ortes der Dom Pietro e Paolo, zwar eine Kirche, die aber aufgrund des kurzen Turms ebenfalls auf den ersten Blick das Aussehen einer Burg hat. 

Aber vorerst noch mal kurz zurück zur Piazza: Im dort gelegenen Palazzo Pretorio lohnt sich ein Blick in die Räumlichkeiten, wo es schöne Fresken aus dem 16. Jahrhundert zu sehen gibt. Außerdem findet man hier eine kleine Daueraustellung zu den etruskischen Gräbern in der Umgebung von Sovana.

Ebenfalls an der Piazza del Pretorio liegt die Kirche Santa Maria, die wir unbedingt sehen wollten. Denn in dieser Kirche aus dem 13. Jahrhundert wartet ein wahres Prunkstück auf Kunstgeschichte-Begeisterte: ein vorromanischer Altarbaldachin (Zimborium) aus dem 8./9. Jahrhundert, gefertigt aus weißem Marmor. Wunderschön verziert mit Weinranken, Taube und Pfauen, wird der Baldachin von Säulen mit Kapitellen im korinthischen Stil getragen. Interessanterweise thront darauf dann auch noch eine achtseitige Pyramide. Zuvor befand sich der Baldachin im Dom von Sovana, von wo er vermutlich nach Renovierungsarbeiten in die Kirche Santa Maria gebracht wurde.

Am westlichen Ende von Sovana liegt der Dom Pietro e Paolo, mit seinem wuchtigen, aber prunklosen Mauerwerk wie eine kleine Trutzburg, errichtet zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert. Als erstes springen uns im Dom-Inneren die massiven, kreuzförmigen zweifarbigen Säulen ins Auge, auf denen das schöne Kreuzgewölbe des Mittelschiffes ruht. Hier sollte man auch den Kopf in den Nacken legen: Denn am oberen Teil der Kapitelle gibt es interessante Skulpturen zu sehen, vermutlich lombardische Kunst aus dem 11. Jahrhundert. In einer Urne am Altar dann die Gebeine des hl. Mamiliano, Schutzpatron des Tuffstädtchens.

In der Etruskerzeit war Sovana eine wichtige Siedlung, bis heute sind interessante Sehenswürdigkeiten aus dieser Zeit erhalten. Von besonderer Relevanz die Tomba Ildebranda, zumal es das einzige erhaltene Exemplar eines etruskischen Tempelgrabes ist, in den 1920er Jahren wiederentdeckt. Gewidmet war diese aus einem riesigen Felsblock geschlagene Grabanlage (mit zwei Grabeingängen), die vermutlich im 3. Jahrhundert vor Chr. errichtet wurde, wie es der Name verrät, Ildebrando aus Sovana. Was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann: Die gesamte Tempelfläche soll verputzt und farbig bemalt gewesen sein.

Saturnia, rund 8 Kilometer nördlich von Manciano und im Albegnatal gelegen, gilt als die älteste etruskische Siedlung Italiens. Aber: Wer Saturnia sagt, der denkt zumeist nicht an das Städtchen, sondern an das Wasser aus heißen Thermal-Schwefelquellen, die die natürlich geformten Sinterbecken speisen. Besonders beliebt zum Baden sind die Cascate del Mulino (Wasserfälle) in der Nähe einer alten Mühlen. Abtauchen kann man hier kostenlos und rund um die Uhr. Gesundheitsfördernd soll dies sein und auch der Haut soll es guttun, zwei Argumente, die offensichtlich überzeugen. Besonders gerne werden diese Becken nicht nur von Maremma-Reisenden, sondern auch von den Römer:innen besucht, die an den Wochenenden in Scharen anreisen. Konstant 37,5 Grad, seit mehr als 3000 Jahren – das kann schon was: Baden ist hier also auch in den Wintermonaten möglich. Den Schwefelgeruch, ja, den muss man halt mögen...

Naturgemäß sind die Becken in der Hauptsaison und da tagsüber sehr überlaufen, wer hier einen Parkplatz finden und nicht zwischen Massen baden will, sollte also eher die Nebensaison und Tagesrandzeiten für einen Besuch wählen.

Wen die mittlerweile zumeist sehr überlaufenen und teilweise schon überrestaurierten toskanischen Städtchen und Dörfer stressen, der wird hier erstmal richtig durchatmen. Denn die 7000-Einwohner:innen-Gemeinde Manciano scheint von solchen Entwicklungen und damit auch von Touristenmassen verschont zu bleiben. Wir treiben uns hier fast allabendlich herum, liegt doch das angemietete Ferienhaus (das leider ein bisschen ein Reinfall war und damit keine Empfehlung wert) ganz in der Nähe.

Schnell haben wir hier in dem ehemaligen Räubernest (ja, auch hier sollen sich die legendären Räuber der Maremma, die ein bisschen als Robin Hoods der Toskana gehandelt werden, herumgetrieben haben) in Hügellage unser Lieblingslokal gefunden: Die Trattoria di Paolino – hübsch gelegen am Ortsanfang, sehr freundliche Besitzer:innen und Mitarbeiter:innen, sehr gutes authentisches Essen – und zu meiner dreijährigen Nichte haben sie schnell eine ganz große Liebe entwickelt. Hier fühlen wir uns wohl und deswegen bleibt es auch nicht nur bei einem Abend.

Den Ort selbst erkunden wir auch ein wenig: Hübsche Gässchen, steile Treppen, dicht gedrängte Häuser, kleine Cafè-Bars und von ganz oben am Hügel, beim mittelalterlichen Castello an der Piazza Magenta, bei gutem Wetter ein großartiger Ausblick vom Monte Amiata bis zum Bolsena-See und zur Küste, die keine 30 Kilometer entfernt liegt. Ein italienisches Dörfchen zum Verlieben...

Wer hätte es geahnt, dass hinter der Sonnenblume, die in der Maremma so üppig blüht (vor allem im Juli und August), eine so romantische wie auch tragische Legende steckt – ich jedenfalls nicht. So soll sich laut der griechischen Mythologie die Nymphe Clytia in den Sonnengott Apollon verliebt haben und ihm überallhin gefolgt seiin, wenn er mit seinem Wagen über den Himmel zog. Aber sie hatte kein Glück mit ihm, denn er verschmähte Clytias Liebe: Also ließ sie sich auf einem Felsen nieder und ernährte sich ab dann nur mehr von ihren eigenen Tränen. Und dann entschied Apollon Clytia in eine goldene Blume, die Sonnenblume, zu verwandeln, die ihre Blüte immer nach Apollons Sonnenwagen am Himmel ausrichtet.

Die Toskana ist – z. B. neben den Marken – eine der wenigen Regionen Italiens, in der Sonnenblumen so ausgiebig angebaut werden. In dieser Hinsicht ein besonders schönes Ziel ist Massa Marittima, wunderschön auch die weiten Sonnenblumenfelder im Hinterland des Küstenstädtchens Castiglione della Pescaia.

Noch mehr Maremma gibt es hier:

Nächste Station der Maremma-Reise: Pitigliano, auf und aus Tuffstein gebaut.
Zu Teil 1 der Maremma-Roadtrip-Reportage geht es übrigens hier: Nach Grossetto, Massa Marittima und zu Etrusker-Gräbern in Vetulonia.
Wer gleich einen Abstecher ans Meer machen willen: Hier geht´s zur schönen Küste rund um den Monte Argentario.

Dies ist ein unbeauftragter und daher auch unbezahlter Blog-Beitrag.