• Bonjour à Vienne…
    "Little Paris" Servitenviertel

Frühjahr 2020

Muss Wien anders sein als einfach nur wienerisch? Eigentlich nicht. Aber trotzdem habe ich nichts dagegen,
wenn sich das Wiener Servitenviertel im neunten Wiener Gemeindebezirk ein bisserl französisch gibt:
Little Paris mitten in Wien, très charmant und ziemlich fesch. Ein Spaziergang...

Es ist ganz einfach mal schnell ein wenig Pariser Luft zu schnuppern – mitten in Wien. Denn im beliebten Servitenviertel im 9. Wiener Gemeindebezirk stehen die Zeichen auf "Savoir vivre". Kommt wohl auch nicht von ganz ungefähr, denn schließlich steht hier, na gut, nicht unbedingt im "Zentrum" des Servitenviertel, aber dennoch in der unmittelbaren Nachbarschaft, schon ziemlich lange das Lycee francais de Vienne – und drum herum hat sich so einiges an französischem Lebensgefühl angesiedelt. Aber erstmal zurück ins Kern-Servitenviertel: Wer hier durch die hübsche Servitengasse und die benachbarten Gassen flaniert, der wähnt sich schnell mitten in Paris – hohe Altbauten mit imposanten Fassaden, gepflasterte Straßenzüge, zartes Baumgrün, hübsche Plätze und Ecken. Kleine, individuelle Läden, teilweise mit schönen alten Holzportalen, gemütliche Restaurants mit Schanigärten, hippe Cafès… das Grätzel ist bunt, belebt und daher bei den WienerInnen beliebt.

Man sollte unbedingt ein wenig Zeit mitbringen, um das Viertel, dessen Bezeichnung auf das 1639 gegründete Servitenkloster zurückgeht, richtig kennen zu lernen… Am besten einfach loslaufen und nicht darauf vergessen den Kopf immer wieder mal in den Nacken zu legen und einen Blick hinauf zu werfen: Auf die zahlreichen wunderschönen Fassaden, wo auch immer wieder der Jugendstil zu entdecken ist. Und ein Blick hinter die Eingangstüren, auf die typischen Wiener Bodenfliesen, lohnt sich ebenfalls. Wo das Grätzel genau beginnt bzw. endet, das nimmt man in Wien übrigens, wie so vieles anderes auch, nicht ganz genau. Hier kommen jedenfalls meine Tipps für einen Spaziergang durch eines der beliebtesten Viertel Wiens, zwischen Währinger Straße, Schottenring und Rossauer Lände…

Typisch französisch in den Tag starten? Am besten im Cafè & Bistrot „La Mercerie“ (Berggasse 25). Hier mag ich nicht nur die Croissants und Eclairs, sondern auch das Interieur: Alte Apothekerschränke, wunderschöne Bodenfliesen, gemütliche Holztische und auch im kleinen Gastgarten fühlt man sich irgendwie wie mitten in Paris. Einen intensiven Koffein-Shot holt man sich am besten im Caffè a Casa (Servitengasse 4a) entweder to go, sitzend (besonders nett an den Tischchen unter den schattenspendenden Bäumen) oder in Bohnenform für zu Hause. Über die Budel geht hier vor allem Kaffee aus Südamerika, geröstet werden die Qualitätsbohnen in der eigenen Rösterei in Klosterneuburg vor den Toren Wiens. Online kann übrigens auch bestellt werden. Und süße Kleinigkeiten gibt es hier auch: Von der Pâtisserie Fruth im 4. Bezirk (Kettenbrückengasse 20), die mittlerweile auch schon Kultstatus hat – zu Recht! Apropos Kaffee, im "Vettore" Shop (Liechtensteinstraße 15) setzt man auf grün, weiß, rot und damit auf italienischen Kaffee, als Bohnen, gemahlen oder als Tabs, Liebhaber italienischen Kaffees kommen hier voll auf ihre Kosten.
Wenn das Fernweh zu groß wird, dann muss ich zum König. Nämlich zu „König – Spezialitäten aus Europa“ (Servitengasse 6/4-5). Hier warten europäische Delikatessen auf mich und ja, zumeist verlasse ich den Laden mit noch mehr Reisesehnsucht. Aber immerhin auch mit einem Arm voller Köstlichkeiten.

Schräg gegenüber statte ich dann für gewöhnlich auch noch schnell Johanna einen Besuch ab: Goldschmiedin mit Leib und Seele ist Johanna Bauer und so manches an meinen Fingern oder Armen hat in der Servitengasse Nr. 7 das Licht der Welt erblickt. Individuell ist das, was sie macht, von Hand mit viel Liebe gefertigt und wenn man ihr zuhört, dann weiß man, dass das, was sie tut, kein Job, sondern ihre Berufung ist. Was mich irgendwie auch nicht überrascht, ist sie in ihrer Familie doch schon die dritte Goldschmiedin – nach Mutter und Großmutter. Hineingeschnuppert in den Beruf hat sie schon bei der Großmutter an deren Werkbank und dabei offensichtlich Feuer gefangen für diesen Beruf: Nach ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin hat sie dann auch noch Industrial Design studiert. Heute ist ihr kleines Geschäft "Atelier Johanna Bauer" zugleich auch Werkstatt: Hier fertigt Johanna ihren ganz speziellen Schmuck mit reduziertem, minimalem Design. Kleine Schmuckstücke, große Leidenschaft – so würde ich Johannas Zugang beschreiben. Wie gemacht für dieses besondere Viertel...

Weiter geht`s durch die Servitengasse: In der La Pasteria (Servitengasse 10) lässt es sich nicht nur wunderbar essen, wer mag, kann hier im kleinen Alimentari-Laden auch allerlei italophiles mit nach Hause nehmen. Übrigens, nur einmal um`s Eck liegt ein weiteres kulinarisches Highlight dieses Viertels: Dimsum, vegetarische Tapas, Tapas mit Fleisch oder Meeresfrüchten und zwar in großartiger Qualität gibt es in Joseph Kiangs und Li Chens kleinem aber feinem Kiang Dine & Wine (Grünentorgassse 19). Wer mutig ist, probiert sich in der Kategorie „Challenging“: Bei 100jährigem Ei, pikantem Quallensalat oder Schweinsohrensalat. Und wie der Lokal-Name schon verrät, hat Joseph Kiang auch passend dazu den garantiert perfekten Wein parat. Wer dann noch nicht genug hat, der gönnt sich einen Absacker in der benachbarten Cafè Bar Luxor (Grünentorgasse 19b): Unter hohen Bäumen, ein kühler Spritzer in warmen Sommernächten, was braucht man mehr um eine glückliche Städterin zu sein. Grießnockerlsuppe, Wiener Schnitzel, Susi Torte – wienerischer geht es nicht und oft ist das einfach genau richtig: Wer ins Gasthaus Rebhuhn (Berggasse 24) hineingeht, der kommt ein paar Stunden später garantiert glücklich wieder heraus. So einfach ist das manchmal im Leben. Osteria und Alimentari-Laden in einem ist das Allegro in der Porzellangasse 21: Der Liebe wegen ist Inhaber Marco Russo aus dem wunderschönen sizilianischen Syrakus (eine meiner Lieblingsstädte in Sizilien und natürlich gibt es dazu eine Reisereportage) nach Wien gekommen und hatte dabei den "Geschmack Siziliens" im Gepäck. Gut für uns, denn im Allegro schmeckt es authentisch italienisch und ein Besuch in dieser hübschen Osteria fühlt sich fast wie ein kleiner Italienurlaub an.

Allzu locker sollte das Geldbörserl nicht stecken, wenn man einen Abstecher in den hübschen Laden Catrinette – Vintage Interieur in der Porzellangasse 29 macht. Denn hier präsentiert Inhaberin und Kunsthistorikerin Katharina Marchgraber in supercharmanter Wohnzimmer-Atmosphäre tolle Vintage-Stücke, ob Schmuck, Wohn-Accessoire oder Interieurobjekt, ausfindig gemacht in Paris (und ja, der Kreis schließt sich…), New York oder Berlin und natürlich auch auf österreichischen Dachböden. Und jedes Mal wieder wundere ich mich, dass sie sich von all den schönen Stücken trennen kann – denn ich tät mir schwer, und wie. Viel Schönes findet man auch bei Anne Morel in der Liechtensteinstraße: Die gebürtige Französin bringt hier Schuhe – darunter einige französische Kultmarken, die nirgendwo sonst in Wien erhältlich sind –, Taschen und andere Mode-Accessoires unter die Wienerinnen, alles sehr chic und vor allem, erraten, sehr französisch.

Ist es jetzt noch das Servitenviertel? Man weiß es nicht genau, macht aber nichts, denn zum Gartenpalais Liechtenstein (Fürstengasse 1) ist es nur ein Katzensprung und den sollte man unbedingt machen. Mächtig liegt es da, das barocke Gartenpalais Liechtenstein, umgeben von einer wunderschönen Parkanlage, die man von außen, gut hinter Mauern versteckt, gar nicht erahnen würde. Schade nur, dass  das darin befindliche, ehemalige Liechtenstein Museum seit 2011 nicht mehr individuell zugänglich ist, sondern nur mehr im Rahmen von (vorab zu reservierenden) Privat-Führungen besichtigt werden kann. Die Sammlung – Gemälde und Plastiken aus fünf Jahrhunderten – gilt jedenfalls als eine der größten und wertvollsten privaten Kunstsammlungen der Welt und befindet sich im Besitz der Stiftung Fürst Liechtenstein.

Am liebsten bin ich im Frühling hier, wenn die Bäume rosafarben und schneeweiß explodieren, die Tulpen ihren Winterschlaf beenden und die Sonne in den Schanigarten des Cafès neben dem Gartenpalais lockt…

Die einen kennen sie aus einem Roman von Heimito von Doderer, die anderen aus so manchem Wien-Film – die berühmte Strudlhofstiege (Strudlhofgasse 8). Und man sollte sie unbedingt auch persönlich kennenlernen, die architektonisch und literaturgeschichtliche interessante Stiegenanlage unweit des Gartenpalais Liechtenstein, die aus Kalkstein errichtet wurde und eines von vielen Jugendstil-Bauwerken in Wien ist. Feierlich eröffnet wurde sie im November 1910. Am allerschönsten finde ich sie übrigens im Winter, nachts, wenn ganz sacht der Schnee herabsinkt und über allem eine große Stille liegt. Ach Wien…

Dies ist ein unbeauftragter, unbezahlter Beitrag über meine Heimatstadt Wien.

gut schlafen

Nur wenige Minuten sind es von hier in das Grätzel rund um die Servitengasse: Das hübsche Boutique Hotel "The Harmonie Vienna" ist eigentümergeführt und liegt ausgesprochen ruhig trotz zentraler Innenstadtlage.