Er ist ein lohnendes Ziel, zu jeder Jahreszeit: Der Vinschgauer Watles – oft auch als Burgeiser "Hausberg" bezeichnet –, der im Winter ein beliebtes Skigebiet ist und vom Frühling bis in den Herbst hinein Wanderer anzieht. Ich mag den Watles besonders für seinen Panoramablick: Auf die mächtige Ortlergruppe, die Sesvennagruppe, die Ötztaler Alpen und den ganzen Obervinschger Talkessel. Stundenlang könnte ich da oben sitzen und würde mich immer noch nicht sattsehen an diesem Ausblick. Ein zusätzliches Highlight: Die romantischen Pfaffenseen – hier kommt der Tourentipp...
Aber bevor man diesen Südtiroler-Rundumblick genießen kann, muss man erst mal hinaufwandern. Und damit beginnt man am besten bei der Talstation des Sessellifts, der einen auch im Sommer Richtung Bergspitze befördert. Gleich daneben startet der Weg hinauf zur Höfer Alm, der ersten Station am Weg hinauf zu den Pfaffenseen – mein Ziel an diesem Junitag. Auf einem idyllischen Waldweg geht es nun also bergauf, in weiten Serpentinen. Zuerst mit sachter Steigung, dann stellt sich der Weg schon mal steiler auf, aber irgendwo müssen die rund 400 Höhenmeter hinauf zur Plantapatschhütte ja schließlich bewältigt werden. Abseits des Weges blüht es bunt und immer wieder bimmeln die Glocken von Kühen, die offensichtlich recht zufrieden an den schattigen Hängen vor sich hin grasen. Und auch schon von hier aus hat man berückend schöne Ausblicke auf die umliegenden Berge, man muss sich nur zwischendurch mal umdrehen und einen Blick zurück werfen.
Idylle pur ist das hier rund um mich und das schönste: ich bin ganz alleine unterwegs. Außer Bienensummen und Kuhglocken-Geläute ist rein gar nichts zu vernehmen. Stetig geht es bergauf und ich bin froh, dass ich rechtzeitig in der Früh los gegangen bin, denn sogar schon am frühen Vormittag zeigt die Sonne was sie kann. Und da ist auch schon der nächste Wegweiser, der mir den Weg zur Höfer Alm weist, einmal geht es noch steil bergauf und dann liegt sie auch schon vor mir. Kurz bin ich versucht mir auf der großzügigen Sonnenterrasse der Hütte einen Platz zu suchen, aber nein, jetzt geht es weiter hinauf zur Plantapatschhütte, bloss nicht niedersetzen, sonst stehe ich womöglich nicht mehr auf...
Noch einmal geht es steil bergauf, über einen Hang, der im Winter eine Skiabfahrt ist. Und dann kann ich sie schon sehen, die Lift-Bergstation und die Plantapatschhütte, zu deren Füssen ein kleiner künstlich angelegter See liegt, umgeben von einem großzügigen Abenteuerspielplatz für Kinder. Geschafft sind die 400 Höhenmeter, für die man, je nach Kondition, 1,5 bis 2 Stunden benötigt. Auf der Plantapatsch genehmige ich mir ein großes Getränk, das muss jetzt sein, bevor es weitergeht, Richtung Pfaffenseen. Schon von hier hat man einen wunderbaren Ausblick auf die umliegenden Bergzüge und den Talkessel, aber, da oben, da wartet noch mehr, wie ich von meinem Mann weiß, der bei einer Mountainbike Tour an den Pfaffenseen vorbeigekommen ist. Auf einer breiten Forststraße (Weg Nr. 3) geht es nun hinauf Richtung Pfaffensee, vorbei an unendlichen Almrausch-Feldern. Weil ich an keiner Blume vorbei kann, ohne ein Foto zu machen, brauche ich dann länger als erwartet – normalerweise sollte man den Anstieg zu den beiden Seen in 30 bis 45 Minuten geschafft haben.
Bevor ich die letzten Meter zu den Pfaffenseen in Angriff nehme, gönne ich mir aber noch eine Pause und einen Rundumausblick aus dem gemütlichen, drehbaren Holzkasten-Sessel, der auf einer nahen Bergkuppe steht. Ganz still ist es da drinnen, in meinem Holzkasten, und angenehm schattig. Ich strecke die Beine aus und genieße ausgiebig den Rundblick, der sich mir hier eröffnet. Meine Augen wandern von einer Bergspitze zur nächsten, bleiben an dem einen oder andern Gebirgszug kleben und dann entdecke ich plötzlich die Paraglider, die sich nicht weit von mir in die Lüfte stürzen. Sie nehmen Anlauf auf dem weichen Almboden, kurz geht es bergab und dann segeln sie auch schon dahin. Was für ein Freiheitsgefühl das sein muss... Einer nach dem anderen macht sich auf in die Lüfte, ein schönes Spektakel.
Und dann liegt er vor mir, der große Pfaffensee. Und so schön hatte ich es mir nicht ausgemalt, ich stehe erstmal nur da und staune ausgiebig. Fast gehört er nur mir, lediglich ein Paar mit kleinem Kind sitzt an einem Tisch in der Nähe des Ufers. Ich halte mich links und umrunde den größeren der beiden Seen, zwischen endlos anmutendem Almrausch geht es auf einem schmalen, ausgetretenen Pfad zum anderen Längsufer des Sees. Und dann spiegeln sich die Bergwiesen und Wolken im See, was für ein Schauspiel. Am liebsten möchte ich es nur im Kopf abspeichern, diesen wunderschönen Anblick, aber dann greife ich doch zur Kamera. Schließlich stosse ich wieder auf den Hauptweg, der am See entlang führt und beschließe, dass ich noch ein Stückchen weiter wandere, vielleicht sogar bis zum Schafberg (2411 Meter).
Auch hier bin ich ganz allein unterwegs, auf einem schmalen Weg, der weiche Boden schluckt meine Schritte, nichts ist zu hören. Irgendwie könnte ich hier ewig so weitergehen, rund um mich Almböden, Berghänge, Himmel. Aber das Wetter – obwohl als stabil und gut vorhergesagt für diesen Tag – macht mir etwas Sorgen, hinter dem Gipfel des Watles sehe ich graue Wolken aufsteigen und ich möchte kein Risiko eingehen. Ich checke meine Bergwetter-App, die Aussichten weiterhin stabil, keine Gewitter vorhergesagt. Aber ich traue dem Frieden nicht ganz und habe ja auch noch den Rückweg zu bewältigen. Mit ein bisschen Sehnsucht werfe ich noch einen Blick Richtung Schafberg, beim nächsten Mal dann also, ich komme wieder. Und dann geht es zurück über die weichen Almböden, bald schiebt sich wieder der große Pfaffensee in mein Sichtfeld.
Apropos: Benannt sind die beiden Seen – der große und der kleine – nach den Benediktinern des Klosters Marienberg in Burgeis, am Fuße des Watles. Bereits in einer Urkunde des Jahres 1219 scheinen die beiden Seen als Besitz des Klosters auf. Irgendwie scheint das ja zu passen, dass die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas (auf 1340 Metern gelegen) in großer Höhe über eigene Seen verfügt, einst als Wasserspeicher für das Kloster ud die dazu gehörigen Besitztümer angelegt.
Müsste ich mich entscheiden, welcher der beiden Seen mir besser gefällt, könnte ich es vermutlich nicht. Denn auch der kleine liegt wunderschön da, wie hineingegossen zwischen zwei Berghängen. Wie soll man sich von dieser Szenerie losreissen können? Muss ich aber dann doch, denn schließlich muss ich ja wieder bis zur Talstation absteigen. Wobei, eigentlich könnte ich auch den Sessellift bergab nehmen...
Die Wanderung auf einen Blick:
Los geht die Wanderung bei der Talstation der Watles Bergbahn (Prämajur), aufsteigend via Höfer Alm zur Plantapatsch Hütte bei der Sessellift-Bergstation (Gehzeit je nach Konditiion ca. 1,5-2h, 400 Höhenmeter). Von dort über den Weg Nr. 3 gemütlich bergauf zu Pfaffenseen (Gehzeit ca. 30-45 Minuten). Der Abstieg zur Talstation erfolgt auf dem gleichen Weg. Alternativ kann man auch mit dem Sessellift hinunter fahren (Vergünstigung, wenn man über eine Vinschgau Card vom Zimmervermieter verfügt). Gehdauer insgesamt: ca. 4-5h, je nach individueller Kondition.
Wer Lust auf eine ausgedehntere Wanderung hat, der kann nach dem Aufstieg zur Plantapatsch Hütte den Weg Nr. 8 Richtung Sesvennahütte Richtung Nordwesten nehmen. Dort geht es nach einem kurzen Anstieg hoch über dem Schlinigtal taleinwärts, schließlich abwärts zur alten Pfortsheimer Hütte (nicht bewirtschaftet), die an einem kleinen See liegt. Von dort sind es nur wenige Minuten zur Sesvennahütte (2258 Meter). Nach einem Stopp in der Sesvennahütte (bewirtschaftet) geht es bergab zur Schwarzen Wand, das Highlight ist hier ein beeindruckender Wasserfall. Von dort geht es weiter hinunter in das wunderschöne Schlinigtal, vorbei an der Schliniger Alm (bewirtschaftet) ins Bergdorf Schlinig. Von dort kann man mit dem Shuttlebus zurück nach Prämajur zur Watles-Talstation fahren. (Wegstrecke ca. 12 km, Gesamtgehzeit ca. 3,5h). Auch hier gilt: Wer sich einen Teil des Weges sparen möchte, der fährt am besten mit dem Sessellift hinauf zur Plantapatschhütte.