• Barockjuwele im Val di Noto: Ragusa Ibla & Modica
    Sizilien, ein Fest der Sinne! (V)

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Juni 2017 / Juni 2018

Barock soll man am besten immer in kleinen Dosen genießen, heißt es ja. Aber wir
wollen – nach Noto und Siracusa – noch mehr. Viel mehr. Die Barock-Juwele Ragusa Ibla und Modica
dürfen daher auf unserer Sizilien-Rundreise-Route nicht fehlen...

Nur rund eine Autostunde trennt uns in Noto von Ragusa und einmal mehr gilt: Wären die Straßen aus Sizilien nicht gar so süditalienisch, wäre man vermutlich auch schneller dort. Aber wir haben es nicht eilig, denn wir sind früh aufgebrochen in Noto, wissend, dass man uns auch in Ragusa spätestens zu Mittag die Kirchentüre vor der Nase zuschlagen wird, also gilt es rechtzeitig genug dran zu sein. Nach rund 40 Minuten Autofahrt taucht Modica auf - bekannt als Schokoladestadt und eine weitere jener insgesamt acht Barockstädte im Südosten der Insel, die 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben wurden. Aber auf unserer Rundreise 2017 lassen wir Modica links liegen – einen Besuch dieser Stadt, die auch Geburtsort des berühmten italienischen Lyrikers und Nobelpreisträgers Salvatore Quasimodo ist, werden wir im folgenden Jahr nachholen, auch wenn wir das in diesem Moment noch nicht wissen.

Und dann liegt Ragusa auch schon vor uns: Eine Stadt, die seit dem großen Erdbeben 1693, aus zwei Stadtteilen besteht und auf einem Felsrücken der Monti Iblei liegt. Zuerst passieren wir Ragusa Alta, die neue Stadt, die nach dem Erdbeben auf dem Hügel gegenüber von Ragusa Ibla neu angelegt worden war, auch hier in einem Rastersystem, wie in Noto. Unser Ziel ist jedoch das tiefer gelegeneRagusa Ibla: Denn dort warten malerische Altstadtgassen und einmal mehr zahlreiche elegante Barockbauten.

Wir umrunden Ragusa Ibla an den Ausläufern des Hügels, auf dem die Stadt liegt, bevor wir uns dann über eine steile Straße hinaufschrauben und uns am Rand der Altstadt einen Parkplatz suchen. Wir spazieren durch die Gassen, an der Kirche San Francesco d`Assisi all`Immacolata vorbei, unser erstes Ziel ist der Dom San Giorgio - und auch hier hatte Barockarchitekt Rosario Gagliardi, der in Noto zahlreiche Spuren hinterlassen hat, seine Finger im Spiel. Die Fassade gehört zu seinen Hauptwerken und ist einmal mehr ein gutes Beispiel für sizilianische Barockbaukunst. Aber jetzt geht es über eine breite Freitreppe hinauf in den Dom, wo uns eine angenehme Kühle empfängt...

Es schlendert sich angenehm bergab über die Piazza Duomo, vorbei an einem langgestreckten wunderschönen und eleganten Gebäude (zu unserer Linken), von dem wir keine Ahnung haben, was es beherbergt. Aber um es als schön zu empfinden, ist das ja auch nicht unbedingt notwendig. Zur Rechten findet sich übrigens das MAD, eine großzügig geschnittene Fashion-Boutique, die uns doch tatsächlich für eine halbe Stunde verschluckt. Ach Italien, du kannst einfach Fashion und Style und Eleganz und Spaß an der Mode...

Aber dann geht es weiter hinunter, über die Piazza Pola, an der Chiesa San Giuseppe vorbei hinunter zum Gardino Ibleo. Der Stadtpark ist eine grüne Oase, sorgfältig angelegt, Palmengesäumt, Oleander wuchert in bestechenden Pinktönen vor sich hin, am liebsten möchte man einen ausgraben und mitnehmen, aber das ist natürlich nur ein kurzer, böser Gedanke. San Giacomo heißt die Kirche, die sich inmitten dieses kleinen Paradieses befindet und sie ist definitiv einen Besuch wert, zumal sie mit einer wirklich außergewöhnlichen Kuppel aufwartet: Ist sie nun echt oder nicht? Die Frage stellt man sich, wenn man unterhalb steht, den Kopf in den Nacken legt und angestrengt hinauf starrt. Wer dies am liebsten selbst heraus finden will, der überliest jetzt am besten die nächste Zeile: Denn ja, nach langem Hinaufstarren ist es klar, da wurde ganz besonders raffiniert eine Kuppel vorgetäuscht, auf Holz gemalt, detailreich, mit Tiefenwirkung, meisterlich. Man kann sich kaum losreißen von dieser gelungenen Täuschung. Außen besticht die Kirche übrigens mit einem elegangen majolikaverkleideten Campanile.

Dann ist es Zeit um einer weiteren Empfehlung unseres Vermieters Nicolò vom B&B Melodia 3 Suites zu folgen: Ihr fahrt nach Ragusa? Dann MÜSST ihr ins I Banchi gehen und dazu hat Nicolò diese Handbewegung gemacht, die nur Italiener machen, wenn ihnen sogar in Gedanken noch das Wasser im Mund zusammenläuft. Jetzt sitzen wir hier also, zwischen Olivenbäumchen, vor dem Lokal und obwohl der Hunger eigentlich nicht groß ist, wollen wir hier nun zumindest eine Kleinigkeit der versprochenen Köstlichkeiten probieren. Und Nicolò, was sollen wir sagen: GRAZIE! Das war ganz großes Theater, im I Banchi und wir werden wiederkommen, mit mehr Hunger im Gepäck... (und tatsächlich, schon im folgenden Sommer haben wir hier ein wirklich großartiges Abendessen genießen dürfen).

Bei unserer Rundreise 2017 haben wir es noch links liegen lassen und uns für Ragusa entschieden, nun aber (im Sommer 2018) muss ein Besuch in Mòdica sein - denn es liegt nur nur rund eine halbe Autostunde von unserem Ferienhaus in Sampieri entfernt. Genau die richtige Distanz, um einen Ausflug in diese weitere Barockstadt zu machen - wie ausgedehnt der Ausflug werden sollte, das haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt. Mòdica teilt das Schicksal von Noto und Ragusa: Nach dem verheerenden Erdbeben 1693 wurde es neu aufgebaut und liegt heute malerisch an einem Hang. Wer hier etwas sehen will, der muss Treppen steigen, viele Treppen. Aber das macht auch zu einem Gutteil den Charme dieses Barockjuwels aus.

Unser erster Besuch gilt der wohl ältesten Kirche der Stadt, in der Unterstadt (Mòdica Bassa): Im 19. Jahrhundert war die Höhlenkirche San Nicolò Inferiore von modernen Bauwerken verdeckt und erst 1997 wieder entdeckt worden. Das Kirchenschiff ist mit rund 50 Quadratmetern überschaubar und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Besonders beeindruckend finden wir die Fresken in der Apsis, mit Darstellungen byzantinischer Ikonen. Warum war diese Kirche versteckt? Diese Frage beschäftigt unsere 6jährige Nichte - Tanti, jetzt sag schon. Und was ist hinter dem roten Vorhang, da hinten im Eck? Als die Dame von der Kasse den Kirchenraum kurz verlässt, weil neue Besucher warten, lüften wir das Geheimnis und schauen einfach nach. Und sind beide enttäuscht, dass sich dahinter nur ein Staubsauger und Putzmaterial befinden.

Danach machen wir Station in der in unmittelbarer Nähe gelegenen Chiesa di San Pietro, die direkt am Corso Umberto liegt, der Hauptgeschäftsstraße, an der sich ein Geschäft an das andere reiht, dazwischen beeindruckende Palazzi. Fast hingegossen liegt San Pietro, eine dreischiffige Säulenbasilika, am Hang, einmal mehr mit einer mächtigen Freitreppe versehen.

Und dann geht es bergan, denn der Duomo San Giorgio liegt zwischen Unter- und Oberstadt, vorbei an Gärten, in denen Bäume schwer beladen mit duftenden Zitronen stehen. Es gilt auch einige Treppen zu bewältigen, spätestens als wir an der mächtigen Treppenanlage vor der Kirche ankommen. Um die 300 Stufen, um genau zu sein. Um ein wenig zu verschnaufen, bleiben wir immer wieder stehen und werfen Blicke hinüber, auf die andere Seite des Hanges - die Häuser, die förmlich am Hang zu kleben scheinen. Und dann haben wir San Giorgio erreicht, sie thront förmlich da oben. Bereits im 12. Jahrhundert stand hier eine Kirche, nach einem Erdbeben 1613 ersetzt wurde, aber dann bebte die Erde wieder, eben 1693, und noch einmal musste hier eine Kirche errichtet werden – der heutige Bau, der 1738 eingeweiht wurde. Wir überlegen auch nicht lange, wer die imposante Fassade entworfen hat, es war, so die Meinung vieler Kunsthistoriker, einmal mehr Rosario Gagliardi, Siziliens wichtigster Barockarchitekt. Als wir die Kirche betreten, hat sich der Himmel bereits ein wenig verdüstert, aber noch ahnen wir nicht, mit welcher Macht in Kürze ein Gewitter über die Stadt herunter gehen wird. Erst als ein mächtiger Donner zu vernehmen ist, ahnen wir, dass dies eine ziemlich nasse Angelegenheit werden dürfte. Und wirklich, es beginnt schon nach wenigen Minuten zu regnen, nein, zu gießen. Die Stadt ist eingehüllt in eine einzige dunkle mächtige Wolke und die gibt her, was sie in Wochen angesammelt zu haben scheint. Es blitzt, es donnert, es ist ein beeindruckendes Naturschauspiel – wenn man Gewitter dieses Ausmaßes mag. Ich ziehe mich lieber ins Kircheninnere zurück und konzentriere mich auf die Besichtigung. So mancher Donner scheint den Dom in seinen Grundfesten zu erschüttern, aber vermutlich bilde ich mir das nur ein. Hier sind wir sicher, hier sind wir sicher, wiederhole ich mantraartig.

Dann werfen wir einen Blick durch das Seitenportal der Kirche: Was wir hier sehen, ist ein reißender Bach, der sich über die Stiegenanlage zwischen Kirchen- und Häuserfassade ergießt. Oh, sagt meine kleine Nichte, ich glaube, wir gehen da nicht hinaus. Eine Meinung, die auch der Pfarrer der Kirche mit uns teilt: Ich gebe euch Kirchenasyl, ruft er schmunzelnd, bleibt hier, raus gehen ist keine gute Idee. Und dann wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr, ja, es ist Mittag und vermutlich würde er normalerweise in ein paar Minuten einen Teller köstlicher, dampfender Pasta vor sich haben, aber auch das muss erst mal aufgeschoben werden. Meine Überlegungen, wie wir das Kind von all dem Donner und Blitz ablenken, erledigen sich, komm Tanti, wir schauen uns die Engel an und du erklärst mir alles. Sie scheint das hier ganz lustig zu finden, gefangen in der Kirche, die für sie erst mal ein großer spannender Raum ist, in dem es viel zu entdecken gibt. Okay, denke ich, hoffentlich habe ich jetzt genug Antworten parat...

Aber dann wird es doch ein wenig ungemütlich in dem großen kühlen Kirchenraum, in dem wir nun schon gut eineinhalb Stunden festsitzen. Wir tragen alle Shorts und haben keine Pullover mit, nur ein dünnes Badetuch, das jetzt die Runde macht - jeder darf sich für ein paar Minuten darin aufwärmen, der Gedanke zählt. Schließlich wird der Regen etwas schwächer, aber immer noch kommen beträchtliche Rengenmengen herunter. Dennoch entscheiden wir, dass zwei zum Auto auf dem Parkpatz laufen, das Auto holen und den Rest der Truppe in der Kirche abholen. Ein nasses Unterfangen, zumal die Strecke im Lauftempo immer noch 20 Minuten in Anspruch nimmt.

Ein wenig später versuchen wir uns in einem Lokal in der Unterstadt bei einem Mittagessen wieder trocken zu legen. Als wir das Restaurant wieder verlassen, hat sich auch wieder die Sonne eingestellt, die Mòdica nun ins beste Licht rückt. Wenn auch nur bis zum nächsten Regenguss, der verlässlich einsetzt. Aber es bleibt jedenfalls genug Zeit um trockenen Fußes durch die Stadt zu schlendern und in den hübschen Boutiquen am Corso Umberto ein wenig shoppen zu gehen. Dank unseres unfreiwillig verlängerten Kirchenaufenthalt haben die Geschäfte mittlerweile auch wieder geöffnet. Verlassen sollte man Modicà übrigens nicht, bevor man die berühmte "Cioccalato modicano" verkostet hat, dicke schwarze Bitterschokolade mit den unterschiedlichsten Aromen, am besten in der Pasticceria Antica Dolceria Bonajuto, schräg gegenüber der Chiesa San Pietro.

Weitere Sehenswürdigkeiten in Mòdica:

- das Geburtshaus von Lyriker und Nobelpreisträger Salvatore Quasimodo (Casa Museo Quasimodo, Via Posterla 84)
- das Stadt- und Schokoladenmuseum im Palazzo della Cultura bei der Piazza Municipio
- die dritte große Barockkirche in Mòdica: Santa Maria di Betlem (Via Marchese Tedeschi)

Nicht weit ist es von Mòdica nach Scicli, einer weiteren der acht Barockstädte im Val di Noto (ca. 20 Autominuten).

Nun steht ein Besuch bei Comissario Montalbano in Scicli am Programm, danach geht es weiter ins Valle dei Templi im Süden der Insel. 

Werbung aufgrund von Namensnennung/Verlinkung. Die Reise wurde auf eigene Kosten unternommen.