• Geheimtipp Marken - eine Reise durch Mittelitalien (Teil 2)
    Grotta di Frasassi und Jesi

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Juni 2022

Weil die "Papierstadt" Fabriano in einer Ebene am südlichen Rand des Naturparks
Parco della Gola della Rossa e di Frasassi  liegt, ist es von dort nur ein Katzensprung zu unserem nächsten Ziel:
Dem Santuario Madonna di Frasassi, in einer Höhle hoch oben am Berg gelegen...
(Teil 2 der Marken-Tour Sassoferrato/Fabriano/Grotte di Frasassi/Jesi)

Die riesigen Tropfsteingrotten, für die der Naturpark Gola della Rossa e dei Frasassi (oft auch das "grüne Herz der Marken" genannt) berühmt ist, lassen wir allerdings aus – und wollen gleich den Pilgerweg zum SANTUARIO MADONNA DI FRASASSI mit dem Tempietto di Valadier hinaufsteigen. Dieser neoklassizistische Tempel wurde 1828 errichtet und zwar oberhalb der beeindruckenden Tropfsteinhöhle Grotte di Frasassi, unter einem mächtigen Felsenbogen. Und wie sehr Pilgerwege zumeist mit Mühen verbunden sind, wird mir erst bewusst, als wir den mit 750 Metern recht kurzen, aber dafür umso steileren Weg in Angriff nehmen. Uff. 36 Grad, halb drei Uhr nachmittags – und, sagen wir mal so, recht wenig Schatten. Ich hänge mich an eine italienische Großfamilie an und bin froh eine Flasche kalten Wassers dabei zu haben; diese gieße ich mir in regelmäßigen Abständen über den Kopf. Derart geduscht komme ich dann doch, ein wenig fluchend, oben an – und spätestens dann weiß ich, dass es jeden Höhenmeter wert war, was ich hier zu sehen bekomme: Eine riesige Höhle, in deren Eingangsbereich der Tempel errichtet wurde.

Ungewöhnlich, beeindruckend, absurd. Viele Begriffe schießen mir durch den Kopf. Dann umkreisen wir den Tempel erst mal und steigen noch ein wenig weiter hinauf, die Höhle scheint einen fast zu verschlucken. Ich stehe hier nur ungläubig und schaue. Und dann bin ich sehr froh, dass in der kleinen, in den Felsen gebauten Kirche neben dem Tempel Wasserflaschen gegen eine Spende bereitstehen.

Der achteckige Tempel von Valadier wurde von Papst Leo XII. in Auftrag gegeben, entworfen wurde er vom Architekten Giuseppe Valadier. Die Travertinblöcke, aus denen die Kirche besteht, stammen aus einem Steinbruch der Frasassi-Grotte. Jene Marmorstatue der Madonna mit Kind (von Antonio Canova entworfen), die einst in der Kirche stand, ist heute im Museum für sakrale Kunst im nahen Genga ausgestellt. In der Kirche selbst ist nur mehr eine Kopie zu sehen.

Bergab geht es dann erwartungsgemäß viel schneller und unten angekommen belohnen wir uns mit einer ordentlichen Abkühlung: Denn wer die Landstraße am Fuße des Pilgerwegs überquert, der steigt noch ein paar Meter hinunter zum Fluss – und wird belohnt mit herrlich klarem, kühlem Wasser. Gleich mal raus aus den Sneakers, die Shorts hochgekrempelt und rein in das kühle Grün. Die Shorts werden nass und picken an mir? Egal. Wie herrlich es hier ist… Immer wieder gibt es im Flussverlauf tiefere Becken, in denen man sich wunderbar abkühlen kann. Weiter unten am Flussufer knutscht ein junges Pärchen in einer romantischen Bucht, weiter oben überredet ein italienischer Vater seine Kinder wortreich dazu sich ins tiefere Wasser zu wagen. Dazwischen wir, glücklich, relaxed, erfrischt. Trennen kann man sich von diesem Platz nur schwer…

Aber wir wollen weiter, jetzt haben wir noch Lust auf ein bisschen Stadtfeeling – und deswegen lautet das nächste Ziel JESI, das wir nach rund 30 Minuten Autofahrt erreichen. Die Erwartungen sind groß: Architektonisch hübsch soll das Städtchen nahe der Adria angeblich sein, lebendig und historisch bedeutsam – denn immerhin wurde hier Friedrich der II., der große Stauferkaiser, geboren. Im Parcheggio Mercatini parken wir (gratis) unser Auto und dann sehen wir sie auch gleich, die massiven, mittelalterlichen Stadtmauern, die die Altstadt von Jesi umgeben – und starten unseren Stadtrundgang vor dem Teatro Pergolesi. Wobei, eigentlich legen wir zuerst mal eine Pause ein, der Magen ist leer und die Hitze fordert auch ihr Tribut; und wir sind bestens aufgehoben im Caffe del Teatro an der Piazza Repubblica. Denn vor hier aus hat man nicht nur die Piazza, sondern auch die Menschenströme, die diesen zentralen Platz queren und die in den umliegenden Straßen und Gassen verschwinden, bestens im Blick.

Aber zurück zu Stauferkaiser Friedrich der II., der in dieser Stadt spektakulär das Licht der Welt erblickt, nämlich quasi unter den Augen der StadtbewohnerInnen – so erzählt es zumindest die Legende. Denn seine Mutter Konstanze von Hauteville, Frau von Kaiser Heinrich IV., war bereits um die 40 Jahre alt, als sie Federico II. zur Welt brachte. Und um alle Zweifel an ihrer für damalige Zeiten sehr späten Gebärfähigkeit auszuräumen, musste sie in einem Zelt auf der heute nach dem Stauferkaiser benannten Piazza Federico II. am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1194, Geistlichen und verheirateten Frauen der Stadt, die Geburt hinter sich bringen. Ein zweifelhaftes Vergnügen, kann ich mir vorstellen. Übrigens, als Heinrich der II. geboren wurde, blickte die Stadt bereits auf mehr als 1500 Jahre Geschichte zurück. Und so befand sich auf der Piazza Federico II. schon das römische Forum und dort, wo heute der ursprünglich romanische, heute aber neoklassizistisch überarbeitete Dom steht, stand angeblich einmal der Haupttempel von Aesis, wie der Ort zur Zeit der römischen Herrschaft hieß. Wer an diesem Platz seine Augen wandern lässt, der entdeckt hier auch den ehemaligen Klosterkomplex San Floriano sowie das Museo Diocesano im Palazzo Ripanti Nuovo. Schön sind auch die vier Figuren an dem Gebäude gegenüber, die die Balkone des barocken Palazzo Balleani auf Händen tragen. Und natürlich findet man hier auch das Museo Federico II – Stupor Mundi, im Palazzo Ghislieri angesiedelt: In 16 Sälen erfährt man alles, was man schon immer über den berühmtesten Sohn der Stadt, der als kulturell und wissenschaftlich hochgebildeter deutscher König und römischer Kaiser in die Geschichte einging, wissen wollte – multimediale Effekte inklusive.

Dass Jesi zu Recht als Architekturperle der Renaissance gilt, stellt auch der Palazzo della Signoria (aus der Zeit um 1500) an der Piazza Colocci unter Beweis: Der Palazzo überzeugt uns mit einer zurückhaltenden, schlichten Eleganz und seiner schönen hellen Backsteinfassade. Den über dem Portal förmlich brüllenden, beeindruckenden Löwen – übrigens das Wappentier der Stadt, dem man hier auf Schritt und Tritt begegnet – kann man nicht übersehen. Unbedingt ansehen sollte man sich auch den Innenhof mit den schönen, mehrgeschossigen Arkaden. Heute befindet sich in dem Gebäude die Biblioteca Planettiana, in deren Besitz u. a. die Sammlungen diverser religiösere Bibliotheken sind. Kunstbegeisterte sollten sich einen Abstecher in den Rokoko-Palazzo Pianetti-Tesei überlegen: In der dort angesiedelten Pinakothek sind u. a. Malereien des berühmten Venezianers Lorenzo Lotto zu sehen und es heißt, dass diese zu den schönsten Kunstwerken der Marken zählen sollen. Glanzstück der Sammlung ist die Pala Santa Lucia, auf der Lorenzo Lotto das Martyrium der Heiligen darstellt. Übrigens, auch zeitgenössische Malerei, Druckgrafiken und Zeichnungen sind hier ausgestellt, wie auch Keramiken und Skulpturen. Uns war es schlichtweg zu heiß für Indoor-Kunst, auf der Liste für einen zweiten Besuch steht es allemal.

Wer genügend Zeit im Gepäck hat, der sollte sich auch einfach ein bisschen treiben lassen durch die Stadt. Schöne Plätze, zahlreiche Renaissance- und Barock-Paläste, Bogengänge, malerische Treppengassen machen einen Spaziergang durch Jesi spannend und abwechslungsreich. Wer ein bisschen Mittelalter schnuppern möchte, der sollte sich im Viertel zwischen Piazza della Repubblica und Piazza San Pietro umschauen. Und wer italienische Städte auch mit ein wenig Shopping verbindet, der wird in Jesi nicht enttäuscht werden: An der autofreien Hauptgeschäftsstraße Corso G. Matteotti reiht sich ein Geschäft an das andere...

Dorf, Stadt, Berg, Fluss, Stadt – der Tag war facettenreich und unser Kopf ist voll von Impressionen. Zeit, sich wieder auf den Weg zu unserem Urlaubsquartier Corte Campioli zu machen. Dort in den Pool springen, ein paar Runden ziehen, von der Liege aus den Sonnenuntergang beobachten, auf unserer kleinen Terrasse sitzen, die Sterne zählen. Na gut, für letzteres werden wir heute viel zu müde sein. Aber dennoch: Zeit, nach Hause zu fahren, in unser Zuhause auf Zeit... 

Und hier geht es zu Teil 1 und Teil 3 der Marken-Reportage.

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Weil es der guten Ordnung halber gesagt werden muss: Dies ist eine unbeauftragte und unbezahlte Werbung. Die Reise erfolgte zur Gänze auf eigene Kosten!