• Geheimtipp Marken - eine Reise durch Mittelitalien (Teil 5)
    Der Palazzo Ducale in Urbino

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Juni 2022

Sie gilt als Musterstadt der Renaissance: Die 15.000-Einwohnerinnen-Stadt Urbino in den mittelitalienischen Marken, in deren Altstadt-Zentrum sich der mächtige Palazzo Ducale erhebt. Dieser gilt als "Stadt in der Form eines Palastes"  und ist in vielerlei Hinsicht ein Gesamtkunstwerk. Für seine Besichtigung sollte man daher auf jeden Fall einiges an Zeit mitbringen...

Man kann ihn gar nicht übersehen, den Herzogspalast, an der Via Vittorio Veneto gelegen – obwohl, von anderen Plätzen in der Stadt macht er sich noch weit mächtiger aus, als wenn man direkt davor steht. Seine wahre Größe und Weitläufigkeit kann man aus dieser Perspektive noch gar nicht erahnen. Hier hatte ein Mann jedenfalls großes vor: Herzog Federico da Montefeltro, der von 1444 bis 1482 in Urbino herrschte. Ein gewiefter Kriegsherr, der mit seinem Söldnerheer großen Reichtum erwirtschaftete. Seine wirkliche Leidenschaft aber waren, so heißt es zumindest, Kunst und Architektur. Und dieser ließ er beim Bau des Palazzo Ducale ab 1468 freien Lauf, bis 1482 galt der Palast als eine der größten Baustellen Italiens. Fürstliches Wohnen wurde hier  neu interpretiert und umgesetzt: Alles, was mit Arbeit zu tun hatte, sollte nicht vor den Augen des Fürsten stattfinden und so wurden diese Bereiche in die Untergeschosse des Palasts verlegt  Wirtschaftsräume, Pferdeställe, aber auch Schlafräume des Palastpersonals. Was hier beeindruckt: Dieser Bereich verfügte schon damals über ein ausgeklügeltes Kanalisationssystem. Auch spannend: Die "neviera", ein quasi mit Schnee betriebener Großraumkühlschrank, dank dem alles frisch blieb. Einiges davon kann man auch heute noch besichtigen, ausgehend vom hellen, repräsentativen Ehrenhof (Cortile dell`Onore) mit besonders schönen korinthischen Säulen.

Uns zieht es aber gleich einmal hinauf ins Piano Nobile, über eine wunderschöne und monumentale Ehrentreppe. Dort oben befinden sich die privaten Räume von Federico da Montefeltro und seiner Familie als auch prächtige, repräsentative Säle, wo Hof gehalten wurde. Zugleich befindet sich hier die Galleria Nazionale delle Marche, mit Kunstwerken aus dem 13. bis 17. Jahrhundert. Was mir daran besonders gefällt: Dass die Werke in engem Kontext mit der Baugeschichte des Palazzo präsentiert werden. 

Gleich mal eine Warnung vorweg: Hier gibt es richtig viel zu sehen. Gefühlt legt man endlose Kilometer hinter sich in diesen Räumlichkeiten. Und dann stehe ich im Appartemento della Jole vor etwas, was ich so noch nie gesehen habe: Ein riesiger Schlaf-Alkoven (Alcova del Duca), in dem Herzog da Montefeltro seine Nächte verbrachte. Was für ein prächtiges Möbelstück, wobei man es aufgrund der Größe fast nicht mehr als Möbel bezeichnen kann, eher schon eine Bettlandschaft. Mit goldenen Leisten, Ornamenten und Girlanden mit Engeln verziert, besonders schön sind die dargestellten Bäume und Vögel. Trotz allem: Würde ich in so etwas schlafen wollen? Wohl eher nicht.. 

Was auch nicht zu übersehen ist im gesamten Palazzo: Herbst und Winter ließen den Herzog und seine Familie wohl ordentlich frösteln. Denn im gesamten Palast sind in fast allen Räumen beeindruckende und teils wunderschöne Kamine zu sehen, mit teils wunderbar ornamentierten Kaminsimsen. Prächtig verziert sind großteils auch Türrahmen und Deckengesimse, viele Türe weisen aufwändige, detailreiche Einlegearbeiten auf. Manchmal weiß man in diesen Räumen nicht, wo man zuerst hinblicken soll...

Ein weiteres Highlight für mich: Die Fresken aus der Kirche San Domenico. Engel, die sich unübersehbar gelangweilt umsehen (und man wüßte gerne, was sie da eigentlich beobachten), Drachen, die als Haustiere an der Leine geführt werden. Unterschiedlichste Madonnen-Porträts und Madonnen-Skulpturen  Kunstgeschichte-Fans kommen hier wahrlich auf ihre Kosten. 

Eigentlich sollte man keinen der Räume im Piano Nobili auslassen: Zu sehenswert sind das Appartamento del Duca und im speziellen das kleine Studiolo del Duca (Arbeitszimmer), das vermutlich nach Entwürfen von Sandro Botticcelli mit Intarsien versehen wurde. Ob er hier wohl tatsächlich gearbeitet bzw. Bücher gelesen hat? Man weiß es nicht. Jedenfalls besaß Montefeltro einer der größen und wertvollsten Bibliotheken seiner Zeit. Und er hat sich hier selbst verewigt: Er, der vermutlich nicht zimperliche Kriegsführer, dargestellt als friedvoller Philosoph, in eine Toga gekleidet. Musikinstrumente, Bücher, Waffen sind in den wertvollen Intarsienarbeiten zu sehen. Die Bücherschränke stehen offen und irgendwie drängt sich einem ein wenig das Gefühl auf, dass der Herzog nur kurz den Raum verlassen hat und bald zurückkehren wird...

Im Appartamento della Duchessa wartet dann ein weiteres Highlight auf uns  zumindest theoretisch: Nämlich Raffaels "Porträt einer Edeldame" (Ritratto di Gentildonna), das einzige Werk, das in seiner Heimatstadt verblieben ist. Allerdings nicht, als wir den Palazzo Ducale besichtigen, denn im Juni 2022 war das Bild für eine Ausstellung in London verliehen. Schade! Dafür dann im Schlafzimmer der Herzogin ein weiteres beeindruckendes Werk: Tizians "Letztes Abendmahl" und "Auferstehung". Man wusste damals schon, wie man es sich im Schlafzimmer dekorativ einrichtet. 

Wer das Piano Nobile vollständig besichtigt hat, der hat nun bereit einiges in den Beinen. Dennoch sollte man sich auch noch das Secondo Piano ansehen. Hier richtete sich nach dem Tod von Federico di Montefeltro dessen Sohn Guidobaldo II. della Rovere häuslich ein. Neben einer umfangreichen Keramik-Sammlung sind hier auch Gemälde aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zu sehen, darunter schöne Originale von Barocci, Gentileschi und Guerrieri. 

Eine Sonderausstellung lockt uns dann noch in die Palast-Ausstellungsräume zu ebener Erde, nächst dem Ehrenhof: Hier wird u.a. Piero della Francescas Meisterwerk "Geißelung Christi" gezeigt. Und wenn wir schon mal hier sind, sehen wir uns auch noch die Cappellina del Perdono (Vergebungskapelle) an, die üppig mit Stuck und Marmor dekoriert ist und ursprünglich als Reliquienschrein der Herzogsfamilie gedacht war. Ziemlich schmal ist diese Kapelle und fast bekommen ich darin ein bisschen Platzangst, mit all diesen über mir schwebenden, dicht an dicht gereihten Engelsköpfen. 

Nur mehr eine virtuelle Bücherkollektion erinnert in der Biblioteca del Duca, ebenfalls im Erdgeschoss zu finden, an jene reale Büchersammlung des Fürsten, die sich im 17. Jahrhundert der Vatikan einverleibte. Besonders schön ist jedenfalls die Sonne aus vergoldetem Stuck, die an der Decke leuchtet. Als Symbol des Hauses Montefeltro flattert in der Mitte der Sonne ein Adler. Wie im Palazzo überhaupt schwer zu übersehen ist, wer ihn errichten ließ: Hat sich Federico da Montefeltro, der heute als Prototyp eines Renaissancefürsten gilt, doch an unzähligen Stellen, wie z. B. auf Kaminsimsen, für die nachkommende Geschichte verewigt...

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Weil es der guten Ordnung wegen gesagt werden muss: Dies ist eine unbeauftragte und unbezahlte Werbung. Die Reise erfolgte zur Gänze auf eigene Kosten.